Schlagwort-Archive: Heimat

09.Juli – Sie kommen – Odyssee 2023

Eine Woche Festland … unglaublich viele Auto’s … noch mehr Krach … Zweiräder mit und ohne Motor … alles ist Großstadt … selbst stille Stadtviertel wie Ohlstedt, Duvenstedt und Lemsahl-Mellingstedt … Elektroscooter liegen ungenutzt rum … man redet nicht über’s Haben … man hat halt … alles … und noch mehr.

Upgrading … geht immer.

Man hechelt Komfort hinterher … sieht nicht die Fratze des Turbo-Kapitalismus hinterm Vorhang … stetig Preise anziehend … Wohlstand für immer mehr verkleinernd … für immer weniger multiplizierend … man braucht das Schaulaufen … zuhause öden wir uns an … suchen daher Ablenkung …

Internet … Fernsehen … Fußball … Rockkonzerte …

wir meiden Stille … zu Vieles prescht unkontrolliert vor … sind daher immer auf der Flucht … ständig … von Termin zu Termin hechelnd … und doch … wir können es nicht … verhindern … uns rinnt die Zeit wie Sand durch die Finger …

bald ist nichts mehr übrig …

Kultur, Ästhetik und Jugend lenken ab von … Morbidität … er kommt immer zu früh … vielleicht schon morgen … was machen bis dahin … ganz genau … schwierig … dazwischen Agenden, Werkstatttermine und Bürokratie … können es nicht … wollen es nicht … ändern … und fluchen doch …

hier und da Lichtblicke mit Sonne und Alkohol …

man fährt Rad … mit und ohne … Tour-de-France … meistens E-Bike … mit Sturzhelm … viele mit Kennzeichen … gesund und sicher … nicht vergessend … Ordnung und Sauberkeit … wie finden das Große … vielleicht das kleine … Glück … ein wenig Natur … ein Schwätzchen …

ist doch immer jod jegangen, Jung …

gestern Konfirmation … mein Patenkind … Zusammensein mit Familien … Kirche, beten, Orgel … Lieder auf Papier … biblische Gleichnisse, Metaphern … Anker werfen … wieder einholen … Ketten die Rosten … hoffentlich nicht zu viel …

Café und Kuchen …

danach Bier und Wein mit selbstgemachten Salaten … vegetarisch … danach mit Frage.- und Ausrufungszeichen im Bett … Manches ändert sich … und Manches … nie … dazwischen … unendliches Suchen … aus dem Fenster schauen … sitze am Tisch … Sontagsroutine … 11 Uhr Glockenleuten … Gottesdienst …

Dienst an Gott …

sieh an … schreib‘ mir den Kopf leer … draußen sausen Rennräder vorbei … keine Minute ohne Zweirad … manche in Leder … alte Kastanien in vollem Ornat … von Steinmauer umarmt … dahinter Kirche … gemähter Rasen … Golfplatzniveau … davor … Verkehrsschilder … kurz, präzis, fehlerfrei …

dazwischen Fahrräder, Cabriolets und Quads …

Polonäse für Technik und Leistung … Energiesparstraßenschlampen … saubere Wege … Ordnung muss … Verkehrsnachrichten … Stau A1 Richtung Ostsee ab Oldesloe … dreispurige Blechschlangen sich des Morgens rauf ans Meer schlängelnd … des frühen Abends runter … zurück in die Stadt …

Feuerwehreinsätze … brennende Elektroautos …

man steckt nicht drin … während Elon nach Sternen greift … warten wir mit Arno auf die Russen … schon morgen können sie kommen … gut möglich … dann brauchen wir ja auch nicht mehr … Müll trennen … genau … lohnt sich nicht mehr … morgen kommt der Russe … der Syrer, der Afghane, Libanese, Nicht-Europäer …

Ausländer …

müssen uns schützen … Flut von … kann doch nicht richtig sein … Stammtisch auf erster Seite … morgen kommen die Ausländer … sind schon da … überall … können endlich nachschenken … nichts lohnt sich mehr … ist alles zu spät … na denn … zum Wohl …

heute Ausländer … morgen Russen …

irgendwer kommt immer zur falschen Zeit … Bedrohung von außen, innen … überall … man ist nicht mehr sicher … vor nichts … niemanden … wieso mähst du deinen Rasen nicht mehr … weil morgen die Russen kommen … wieso gibst du all dein Geld aus …

weil morgen die Russen kommen …

wie damals … Türken und Griechen … ach deswegen … genau … das Ende ist nah … schon morgen … kommt der Russe … Chinese … müssen uns vorbereiten … alles verprassen … schnell ein Apfelbäumchen … im Havelland … mit Herrn von Ribbeck …

denn morgen …

doch was … wenn sie nicht … wer … die Russen … oder Chinesen … was dann … was sollen wir bloß tun … ohne Russen und Chinesen … wenn sie nicht … kommen … was dann … die kommen bestimmt … damals sind die Türken und Griechen ja auch …. denk mal an 2015 …

wir schaffen das …

was für eine Apokalypse … hast was davon bemerkt … na sicher … hat sich dein Leben verändert … müssen uns vor denen schützen … wenn die alle kommen … Russen und Chinesen … genau, wo ist der eiserne Besen … wie schützen unseren Wohlstand …

kauft nicht bei Ausländern …

sie überfallen uns … Türken, Griechen, Russen und Chinesen … was … wenn nicht … was wenn die wie wir … einfach leben wollen … was dann … wenn keine Apokalypse … kein Krieg … wenn alles … irgendwie weitergeht … mit Karl May, Herrn von Ribbeck … Sankt Peter-Ording … Sylt … HH … wenn alles …

irgendjemand muss kommen …

Heimatflüge und Interviews – Odyssee 2020 CW24

Achter Juni, ein vermeintlich normaler Montag. Gerade hatte D seinen morgendlichen Café zubereitet, es sich damit an seinem kleinen Tisch vorm Fenster gemütlich gemacht, als er die Nachrichten seines Smartphones durchsah und feststellte, dass man seinen Flug am 12.Juni storniert hatte – nicht erlaubte Einreise von Ausländern, thanks to COVID-19 – lautete die nüchterne Begründung. D sah verärgert aus dem Fenster und suchte sofort nach einem Alternativflug und fand einen, drei Wochen später, für den 3.Juli.

D ließ noch einmal die nüchternen Eckdaten der C-Sache – mittlerweile konnte er das C-Wort genauso wenig aussprechen, wie den Namen des 45.Präsidenten der USA – Revue passieren. Was war eigentlich geschehen? D fühlte sich immer noch überrollt und benommen von den Ereignissen, denn was bis Anfang März Normalität zu sein schien, nämlich dass man gehen, fahren und fliegen konnte, wann und wohin man wollte, hatten die eigenen europäischen Staaten und ihre nationalen Parlamente in wenigen Tagen pulverisiert.

Und weil offensichtlich die Mehrheit aller europäischen Politiker und deren Bürger ein gerüttet Maß vorauseilenden Gehorsam in sich tragen – meist treibt dieser unbewusst sein Unwesen, was dem Ergebnis jedoch gänzlich schnurzpiepenegal ist – sprachen Medien und Menschen bereits von der sogenannten neuen Normalität. D‘s Misere verkleinerte sich in keinster Weise, lehnte er doch schon Großteile der alten Normalität ab; mit der Neuen, stand er nun vollständig auf Kriegsfuß, was man am ungezügelten Wachsen seiner Kratzbürstigkeit und Widerspenstigkeit bemerkte.

Beeinträchtigte der Shutdown seine Schreibarbeiten nicht im Geringsten, mussten Interviews jedoch vollständig remote stattfinden, wenngleich es sowieso nur wenige gab, was D’s Undergroundstatus und generalle Unbekanntheit bestätigte, sowie sein geringes Interesse, etwas daran zu ändern. Seinen Bekanntheitsgrad zu verbessern, war so ziemlich das schlechteste Argument aus D’s Sicht, obwohl die Marketingchefin seines Verlages durchaus passable Erklärungen parat hatte.

Nach langer Überzeugungsarbeit gab er nach und stimmte einem Interview zu – hier ein paar Auszüge. (Das Magazin hat darum gebeten, seinen Namen nicht anzugeben, um Anspruch zur Erstveröffentlichung gültig zu machen, wir haben daher den Namen verändert)

Kalligraphi-Magazin: Hallo Herr Tango, wie geht es Ihnen?

DT: Hallo Frau Meyer-Paradiso, heißen Sie wirklich so? Ist ihr Mann aus Spanien, oder Lateinamerika?

KM: Ich heiße wirklich so, mein Mann kommt aus……..

DT: Sagen Sie nichts, ich wette Spanien…..

KM: Gerade wollte ich es sagen, Gallizien; Sie haben mir aber noch nicht gesagt, wie es ihnen…..

DT: Haben Sie ihn dort während eines Urlaubs oder bei Ihnen in Deutschland kennengelernt? Sind Sie schon lange verheiratet…?

KM: Wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne unser Interview beginnen, wenn es Ihnen nichts ausmacht, einverstanden…?

DT: Es macht mir etwas aus, weil von einem Interview überhaupt nicht die Rede war, Frau Meyer-Valparaiso, verstehen Sie?“

KM: Moment mal, Her Tango…..

DT: Lassen Sie das mit dem Herrn, nennen Sie mich Don, so wie alle anderen….

KM: Okay, einverstanden, trotzdem bin ich etwas irritiert, weil mir ihr Verlag zusagte, dass…..

DT: Warten Sie, Frau Meyer-Valparaiso, hier liegt glaube ich ein Missverständnis vor…..

KM: Ein Missverständnis, wie meinen Sie das? Sind Sie etwa dagegen, interviewt zu werden?

DT: Ich bin mir ziemlich sicher, dass Sie……

KM: Moment, bitte beantworten Sie meine Frage, wir brauchen gar nicht weitermachen, wenn Sie….

DT: Natürlich, liebe Frau Meyer-Valparaiso, wie lautet Ihre Frage…?

KM: Ein Interview, sind Sie dafür oder dagegen…?

DT: Aber gute Frau Meyal-Paraiso…..

KM: Lassen Sie das, nennen Sie mich Claudia…….

DT: Okay, gerne, also liebe Claudia…….

KM: Dafür oder dagegen….?

DT: Na, sie kommen aber auch, Entschuldigung, DU kommst aber auch mit der Tür ins Haus…..

KM: Warum denn das, ich habe nur meine Frage gestellt?

DT: Über die Macht der deutschen Sprache sollten wir ein anderes Mal reden, sie und ihre, verdammt nochmal, du und deine Effizienz seid wahrscheinlich einverstanden, wenn wir das hier abkürzen…..

KM: Sehr gerne, also, zurück zu meiner Frage…..

DT: Selbstverständlich, liebe Claudia – schau, ich bin natürlich FÜR ein Interview, doch das müssen wir doch zusammen vorbereiten, oder etwa nicht? Und hierin liegt auch das Missverständnis, von dem ich eben gesprochen habe – dieses Telefonat dient unserer Abstimmung, worüber du mit mir reden, mich interviewen möchtest, es ist also nicht das Interview selbst, verstehst du was ich meine?

KM: Ach-so, okay! Aber stand das so nicht in meiner Videokonferenz-Einladung? Egal…..

DT: Genau, lass uns anfangen…..

KM: Könntest du trotzdem so nett sein, meine erste Frage zu beantworten, die du, ich bin mir ganz sicher, nicht vergessen hast? Ich will dir auf die Sprünge helfen, ich fragte, wie es dir geht!

DT: Habe ich nichts dazu gesagt? Wie unaufmerksam von mir; im Großen und Ganzen okay; diese C-Sache ist zwar eine Katastrophe, aber das sollten wir ebenfalls ein anderes Mal besprechen, weil ich sonst schlechte Laune bekomme.

KM: Kein Problem, also zu den Themen und dem Interview, ich schlage 30min vor, weil ich dich zu dir und deiner Person befragen möchte, wie du zum Schreiben gekommen bist und vor Allem, was Schreiben für dich bedeutet. Länger als 30min machen wir auf keinen Fall, es sei denn, es entwicklet sich in eine leichte Plauderei, der man leicht folgen kann; hast du von deiner Seite irgendwelche Fragen?

DT: Wo wollt ihr das ausstrahlen, Radio, TV oder Internet?

KM: Dazu haben wir uns noch nicht festgelegt, wir binden dich und deinen Verlag aber gerne ein, einverstanden?

DT: Klasse, vielen Dank Claudia…..

KM: Bleibt nur noch die Abstimmung der Zeit……

DT: Nächste Woche ist gut, Mittwoch-Nachmittag ist okay? Können wir die Zeit noch offen lassen, so wie es reinpasst?

KM: Eher ungern, ich muss meinen Tag auch planen, sagen wir Mittwoch 15:00 ?

DT: Verstehe ich, na gut einverstanden, hat mich dennoch gefreut……

KM: Mich auch, bis Mittwoch……