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18.Dezember – Vierter Advent – Odyssee 2022

Hab heut‘ Morgen ein Lebewesen getötet. Fiel mir nicht leicht. Blöder Weberknecht, da sitzt man auf Klo und dann kommt er hektisch aus der Ecke gerannt, direkt auf meine Füße, dreimal schieb‘ ich ihn weg, sogar angesprochen hab ich ihn, „Mensch Ede, lauf außen rum, lernst du das nicht?“, ich schau nach links an meinen Füßen vorbei, ob seine Frau auf ihn wartet.

Hinter Männer-Dummheiten, stecken oft Frauen.

Aber nichts. Beim vierten Anlauf fiel dann Schatten über ihn. Hab ihn ehrenhaft beerdigt, wie Queen Elisabeth. Heut‘ ist letzter Advent- und La Fête in La France. Wenn man den WM-Titel holt, steht das Land Kopf. Hätte mich gefreut, wenns Marokko wird.

Erfolg tut Franzosen genauso gut, wie Teutonen.

Flippen immer aus, als wenn man den Krieg gewonnen hat; überhaupt, Erfolg, tut er überhaupt etwas Gutes? Bin mir da nicht so sicher. Ich zumindest hab nur aus Fehlern gelernt. Verändert, gar weiterentwickelt? Sowieso nur mit Scheitern; aus starker, komfortabler Situation heraus? Niemals.

Komisch, oder?

Hab ’nen Kumpel gefragt, Franzose, für wen er heute im Endspiel mitfiebert, er lächelte daraufhin ganz süffisant, ob ich ihn ernsthaft frage, da wusste ich, wir leben auf unterschiedlichen Planeten. Grande Nation – finde das so putzig, andere entscheiden, ob man groß ist, nicht man selbst, oder nicht?

Vive La France, vive La Republique,

ist wie „America First!“, nur in elegant; naja, hab das schon x-mal erzählt, neige zur Wiederholung, furchtbar ist das. Bin seit Kurzem wieder in Norddeutschland. Gleich in der ersten Nacht minus acht Grad mit Heizungsausfall, Mensch war das kalt. Um 3:45 schoss ich hoch. Sofort spürte ich, das was nicht stimmt.

Ich hielt mein‘ rechten kleinen Finger aus dem Bett.

Schneidend biss die Kälte zu, dachte sofort an Stalingrad und Ukraine, sowas von arschkalt. Bin dann in eine andere Unterkunft geflüchtet. Nur in Not wächst man und wird agil, spontan und kreativ. Erfolg, Glorie, Stolz und so, hat mehr Leid als Gutes……genau……wahrscheinlich mag ich deswegen Hellas so gern‘.

Wurden in tausenden Jahren quasi von Allen durchgevögelt.

Zuletzt von Türken, und doch hat deren Sprache und Kultur überlebt. Aber Bock auf Größenwahn, gar Glorie, Wehmacht.- pardon, Weltmacht-Anspruch, à la France et Allemagne? Fehlanzeige. Man wurschtelt so vor sich hin, ähnlich wie alle Nationen / Völker die klein und unbedeutend…

Aber halt, vielleicht ist’s das Gegenteil!

In Wahrheit sind die vielen kleinen Länder sogar – sehr bedeutend. Denn In Summe gibt’s doch mehr kleine, als die drei bis zehn wenigen großen, oder nicht? Bon, genug erhobener Zeigefinger, ist ja widerlich…

In Norddeutschland ist‘s jedenfalls kalt.

War gestern in Trittau einkaufen, jene kleine Stadt im Nord-Osten Hamburgs, die mit Schützen.- und Motorsportvereinen ein reichhaltiges Angebot für Jugend und erwachsen-gebliebene Kinder bereitstellt.

Zwar hatte der Post / DHL-Laden um 14:00 bereits dicht,

obwohl der Famila-Markt, in dessen Bauch er vor sich hin reift, bis 21:00 die Tore offen hält, woraufhin ich im neuen Markant-Markt, in der Ostkurve der Stadt eine Ausweichlösung fand – plus ner jungen Frau, die nicht nur mein Paket nach Hellas annahm, sondern über ihren letzten Kreta-Urlaub plauderte.

Was sagte man dazu!

Soll noch mal jemand kommen und sagen, Fischköppe sind….genau, sind sie gar nicht……wenngleich sie mit Meckern begann, dass sie beim Schwimmen von Plastikmüll umgeben war und so, naja…..

War aber sonst recht proper

und bestimmt für jeden Spaß zu haben…..während des Rundgangs merkte ich das Markant eher so ‘ne Art Aldi ist……gruseliges Weinangebot, stattdessen Schweinefleisch im Sonderangebot…nein danke, heute nicht….hab Buntwäsche…..

also wieder zurück zum Famila……

am Ortseingang lockt ein beeindruckes Schild, was das andere Extrem zu „Vive La France“ ist. ‚Ort mit Zukunft‘ – Supermärkte finde ich superspannend. Was die Menschen so alles kaufen….in den Einkaufswagen tun, Fleischsalat und Mett, sag ich nur, dazu Harrys volles Korn,

ne Kiste Bier, Frostschutzmittel und ab dafür.

Natürlich kann man wie Proust in molekulare Strukturen von Ereignissen abtauchen, macht ebenfalls Spaß, und ich gebe Proust Recht, dass „Das wahre Leben die Literatur ist“, doch an der Fleischtheke im Famila-Markt kann man ebenfalls Großes beobachten. Mit welch Leidenschaft die

Dame im besten Alter ihr Messer wetzte,

während ihre beiden prall-roten Wangen wie Äpfel aus dem alten Land, Marke „Finkenwerder Herbstprinz“,um die Wette glänzen, war wirklich eine Augenweide. Welch Rubens-Gemälde. Alles prall, saftig und rosig. „Darf es sonst noch etwas sein?“, „Ein Pfund Gulasch und zwei Pfund Gehacktes“, „Gemischt, oder vom Schwein..?“,

„Gern‘ vom Schwein, das wär alles; ham Sie Kaisersülze da?“

„Natürlich, einmal?“, „Gerne, danke!“ Annie Ernaux hätte ihre Freude. Überhaupt wird die Aufgeräumtheit und Heiterkeit des Nordens unterschätzt. „Was kann ich für Sie tun?“, sprach mich die Schlächterin an, da hatte ich mein‘ Fleischsalat. Weswegen stand ich hier an? Hatte mich reine Beobachtung magisch angezogen, dass ich

Teil der Schlange geworden bin?

Ich wusste es nicht. Direkt sah ich ihr ins Gesicht. Sommersprossen schimmerten aus vergangenen Tagen in Pastelltönen, Locken und Statur schienen Natur, Lippenstift und eine rahmenlose Brille ließen sie sympathisch verlässlich aussehen. Leichter blonder Pflaum kündigte Menopause an, ganz bestimmt trank sie jeden Kerl untern Tisch.

„Sie schauen nur?“,

reißen mich ihre Worte aus’m Bewusstseinsstrom, „Ganz genau….“, schob ich schnell hinterher, während sie mit lautem Klatschen ihre zwei Plastikhandschuhe abzog, dass man unruhig an Proktologie denkt und auf ihre Arbeitsplatte legte und Tresen, sowie Umgebung wachsam ab-scannt und sprungbereit, doch zugleich verträumt,

erneut eines ihrer Messer begann zu wetzen.

Auf dem Rückweg mache ich einen Schlenker durch Grönwohld, um Brakelmann und Adsche „Guten Tach“ zu sagen. Dabei entgeht mir nicht der mühevoll restaurierte Landgasthof „Zur Hanhnheide“, der in altem Glanz mit der winterlichen Nachmittagssonne um die Wette strahlt. (Unten ein Bild von Wirtshaus mit neuem Reetdach, in dem mancher Schnaps über’n Durst getrunken wurde)

Mist – jetzt knurrt mir der Magen…

Odyssee 2019 – CW42

Herbst in Norddeutschland. Bunte Blätter hängen in Bäumen und Gedanken rum. Frühe Dunkelheit sorgt für ausreichende Melancholie. Rum im Tee für wohligen Müßiggang mit Rauch auf der Zunge. Frühstücken, dann zum Amt; muss meine alte Lady abmelden; 25 Jahre pflichtbewusstes Überleben. Ist nicht jedem gelungen. Zu schnell verheddert man sich und fällt durchs Rost. Ein paar Mahnungen sind mit der Post gekommen; scheint so, als wenn meine Abneigung gegen administrativem Bullshit größer wird. Kann sie physisch spüren. Keine Ahnung warum Menschen so hinter ihr her sind. Nachmittags schreiben, kein Mittagsstündchen. Dann Besuch von Karsten, mit Wein und Chips. Pünktlich ins Bett. Muss weniger saufen.

Dienstag – ich befürchte, ich brauche eine Lesebrille. Mache zwar ständig Übungen, um die Augen nicht durchs stumpfe Geradeaussehen einrosten zu lassen, aber es ist mühselig und ich bin schlecht in Disziplin, was grundsätzlich toll für Müßiggang, aber schlecht für Alltagsabläufe ist. Musste zum Verleger. Hat mir die Hammelbeine langgezogen, warum das dritte buch so lange dauert; richtig sauer war der. Kapiere das nicht; egal was ich mache, Menschen werden schnell stinkig, besonders Frauen. Warum nur? Komisch. Gestern zum Beispiel: Bekomme da wieder eine Hasstirade von Susanna. Wahnsinn. Ist sechs Jahre her; hab da keine Worte mehr. Abends Buch lesen ohne Brille.

Mittwoch – Besuch bei der Lektorin. Sie wollen Hörbücher rausbringen; nichts dagegen. Habe derzeit andere Themen im Kopf. Muss Horus fertig machen, damit ich mich an mein Haupt-Werk setzen kann. Mann und Frau driften immer weiter auseinander, zwei Rollenmodelle die sich auflösen; die alten Griechen haben es vorgemacht; kein Wunder, dass die ständig im Krieg waren. Bin knapp 4 Wochen aus Griechenland weg und muss sagen, dass mir Land und Leute fehlen, später dazu mehr. Nachmittags wieder zurück an den Schreibtisch, spätes Mittagessen, dazu Milch – kein Wein. Abends dann Doku im Internet; habe keine Aquarium oder Fernsehen um’s Licht auszumachen. Eine späte Zigarette, dann ins Bett.

Donnerstag – draußen regnet‘s. Heute bleibe ich im Bett liegen. Habe Bock auf nichts. Lesen, dösen, Decke anstarren. Späten Vormittag dann die Überwindung. Aufstehen und ab zum Broterwerb; Mittag mit zwei Surf-Kumpels. Mag deren Frohsinn und Aktivität. Immer ist bei denen was los. Spaziergang an der Elbe nach dem Essen. Locker quatschen und Blankenese aufs Schambein starren. Danach wieder arbeiten. Mache heute zeitig Schluss. Abendbrot bei Doku. Danach Lesen – immer noch ohne Brille.

Freitag – spätes aufstehen, gegen Elch in der Stadt. Verlag und Lektorin wollen das Manuskript vom Horus, nur um es schon mal vorab durchzuarbeiten; bin dagegen; ich will keine Kommentare, bevor es nicht fertig ist; das ist so ähnlich, wie wenn du Migräne-Tabletten für deine zukünftige Frau kaufst, die du noch nicht kennengelernt hast. Abends Dinner mit meinem Freund und Steuerberater – im Ono. Teurer Laden, mit vielen schicken Slim-Fit Hamburgern. Kohle-Futter-Balance ist noch okay. Wir haben reichlich Spaß, quatschen von früher, heute und auch morgen. Ein schöner Abend, bis die Bedienung uns um kurz nach elf vor die Tür setzen will. Denke ich höre nicht richtig. Gebe der Lady ein strammes Feedback.

„Darf ich sie duzen oder lieber…?“

„Nein,nein dozen gerne…!“, ihre Augen werden größer, sie geht einen Schritt zurück. Ich muss eine entschlossene Austrahlung haben.

„Schmeißen Sie uns jetzt etwa raus?“

„Sie sind die letzten Gäste; wir würden gerne….“

„Darf ich das als JA, deuten? Ich will Ihnen dann mal eine Kundenrückmeldung geben: Das geht überhaupt nicht, was ihr hier gerade macht; ihr wollt hohen Anspruch haben, Qualität in Luxus-Porno-Qualität, alles edel und geil und dann, weil wir die Letzten sind, uns vor die Tür setzen, im Ernst? Um 23 Uhr auf einem Freitag? Ist klar, dass wir nie wieder kommen, oder? Als Gast nimmt man die niedrige Qualität im Essen hin, wenn der Service super ist; umgekehrt nie, kapiert?“ Bin wirklich sauer, über diese Popper-Läden, die meinen mit geiler Location, cooler Deko und tätowierten Bedienungen den Laden zu Rocken – das langt nicht, Leute! Ihr könnt mit gutem Service Werbung machen, vor Allem aber müsst ihr den vorleben; habe so etwas in meinem ganzen Leben noch nicht erlebt, grolle ich noch vor mich hin und fahre heim. Zuhause beende ich mein Dinner mit einem Glas Wein und einer Zigarette – Fuck-Off. Gute Nacht!

Samstag – Frühstücken, Buchpaket an meine Freunde von der Zeit schicken, damit sie bei all der Haute-Cuisine, die in ihrem Feuilleton verstoffwechseln zwischendurch auch mal einen herb-gewürzten Eintopf bekommen. Dann Deal mit kleinem Laden für meine Ware gemacht. Bücher müssen gelesen werden, oder? Abends Dinner mit Freundin in Ottensen; Restaurant in meiner alten Straße, Nernstweg.

Komme früher an und wandle durch die Gassen; viel hat sich verändert; zuviel Hochglanz, zu viel Neues und Buntes für meinen Geschmack; das ganze Viertel ist ein Freeshop geworden; Hippster-Bärte und Tätowierungen, wohin ich auch sehe; Erinnerungen kommen hoch; platte Reifen, Geschreie, Flaschen die an der Wand zerschellen; mochte gerne hier leben; irgendwann sah für mich alles gleich aus; musste dann weg; war vielleicht falsch, den Typen das Feld zu überlassen.

Mein alter Kämpfer Ede lebt noch mit Familie dort; unnachgiebig halt er die Fahne hoch; ich bewundere ihn dafür; oft wünschte ich mir, noch dort zu sein; heute nun, wegen einer Freundin – habe sie lange nicht mehr gesehen; hängt ziemlich durch die Gute; Arbeit, Leben, Liebe, der pure Stress; will ihr Leben ändern, kürzer treten, ein wenig auschecken und dann weitersehen.

Ist ne komische Welt da draußen: Diejenigen, die sich um sie kümmern, werden vergrault. Merkwürdig. Hab noch nicht kapiert warum. Kommt vielleicht noch. Gegen Mitternacht gehen wir in eine Bar, nehmen ein letztes Glas Wein mit Zigaretten – beim Zahlen kommt ein junger kerl, der die Rechnung zählt: „Tessera, pente….“, freue mich und frage ihn auf griechisch, ob er Hellene ist; er freut sich dass ich seine Sprache lerne; wir plaudern ein wenig, mitten in Hamburg; ich bekomme Heimweh, obwohl es erst vier Wochen her ist – gehe mit Kloß im Hals zum Auto und fahre Heim.

Sonntag – Kaffee, frühstück, Musik, schreiben, schreiben, schreiben – gegen Abend Kumpel-Besuch mit schnacken, lachen und vermutlich….na wollen mal sehen.