Schlagwort-Archive: Seife

19.Februar – Magermilch & Waschmittel – Odyssee 2023

Seit kurzem trag‘ ich Brille. Erst mal nur zum Lesen. Hat was mit dem Alter zu tun, sagte die Optikerin. Sieh an, dachte ich, mal was ganz Neues. Altersweitsichtigkeit, oder Kurzsichtigkeit, eins von beidem. Sei völlig normal, meinte sie, wenn man über vierzig ist. Bekomm‘ beides durcheinander, weil man nennt, was man gut kann.

Eigentlich ganz vernünftig,

diese Halbvollglas-Betrachtung der Welt, doch wirklich, kommt mir ganz entgegen, nur will es mir irgendwie nicht im Kopf hängen bleiben. Nun gehört zu meiner Herrenausstattung nicht nur ein Komboloi, sondern auch ‘ne Lesebrille. Es fing damit an, dass ich Etiketten von Weinflaschen immer schlechter lesen konnte.

Anfangs dachte ich, schlechtes Licht.

Doch das stellte sich schnell als Selbstbetrug heraus. Darin bin ich ganz gut. Bald fragte ich meine Freundin, nebst jeweiliger Umgebung. „Was steht da?“ Seit dem weiß ich, wie höflich und diskret Menschen sein können. Von betretenem Lächeln und zu Bodenblicken, bis hin zu schallendem Gelächter, ließen sie nichts aus.

Völlig verdient wie ich finde,

schob ich diese „Sache“ seit Jahren vor mich her. Angeblich steht mir Brille, ich sehe wie ein Professor, oder Schriftsteller aus, sagt meine Freundin. Hätte schlimmer kommen können, dachte ich mir. Finde das spannend, was Menschen für Images in den Köpfen haben. Ich glaube wir sehen alle aus wie Horst und Gundula von Nebenan.

Wir verwandeln uns nur, wenn wir Bühnen kriegen.

In den Straßen des Lebens, im Supermarkt zum Beispiel, unserem privaten Laufsteg. Schlanke sportliche Frauen kaufen fettarme Milch. Meine Theorie ist, dass sie auf ihr Gewicht achten und deswegen Fett meiden. Warum sie bei den Plastikflaschen nur einen kleinen Teil der Aluversiegelung öffnen, liegt vermutlich daran, dass sie wenig verwenden wollen.

Heute will man überall sparsam sein.

Vielleicht senden sie damit eine Botschaft, wer weiß das schon. Heute ist selbst Klopapier politisch. Oder diese blöde Rum-Genderei, einfach furchtbar. Unzulässige Aneignung, genau das Gleiche. Weiße die Jazz-Musik machen, Chinesen, die Heavy-Metall spielen, Inder die bayerische Volkslieder singen, Mundharmonika spielen und Trachten tragen,

schwule Cowboys, die Tango tanzen.

Alles geht heute, eigentlich, und gleichzeitig irgendwie – nicht. Merkwürdige Zeiten. Mageres Putenfleisch geht dafür aus gleichen Gründen genauso gut wie Magermilch. Überhaupt geht Geflügel super bei jungen modernen schlanken gebildeten Frauen, die Anspruch haben und alles ein wenig akkurater als die Durchschnitts-Ursel von nebenan haben wollen.

Schmecken tut Geflügel eher nach nichts, wie ich finde,

abgesehen von Daisy Duck. Aber das ist in unserer modernen Zeit nicht so wichtig, habe ich den Eindruck. Leicht muss Essen heutzutage sein, darf weder Darm belasten, noch ansetzen. Gleiche Sache mit Hygiene. Nicht nur sauber, sondern – rein, lautet ein Werbeslogan, der tief in unsere Platinen eingedrungen und

nicht mehr wegzudenken ist.

Egal ob in Deutschland oder Frankreich, Menschen ziehen Wirbelschleppen Weichspüler und Duftwaschmitteln hinter sich her, dass Nasen und Zungen für Sekunden taub bleiben, wenn man unvorsichtigerweise in sie hineingerät. Ein Wahnsinn, wie viel Chemie wir uns auf die Haut knallen.

Meine Freundin mag‘s auch, wenn Wäsche angenehm duftet.

Sie hat eine beachtliche Armee von Reinigungsmitteln in ihrer Küche stehen, dass ich mich immer vorsehe, nicht zu kleckern, um sie nicht eine dieser Waffen blitzschnell ziehen zu lassen, um mir Löcher in die Hände zu schießen. Hab das mal beobachtet.

Jeden Morgen duscht sie.

Wahlweise mit Seife, Duschgel und Haarwaschmittel, wovon sie, wie alle Frauen, reichlich hat. Wohlduftend steigt sie vom Bad in Klamotten, die nach Perwoll-Blumenwiese duften, dass ich schiele, wenn ich eine Nase nehme. Fertig geschminkt mit aufgelegtem Duft kann ich nur sagen:

Donnerwetter – alle Achtung!

Wie aus‘m Modemagazin. Klar find ich‘s toll wie sie aussieht und duftet. Gleichzeitig frage ich mich, ob es gut für unsere Haut ist, wenn wir sie mit so viel Chemie belasten. Und meine Freundin ist weiß Gott nicht die Einzige. Gestern bummeln in Toulouse. Wow – war da was los, kein Wunder bei zwanzig Grad. Dufttsunamis brachen über mich herein – was ein Wahnsinn.

Chlor im Wasser.

Chlorreiniger im Haushalt, Scheuermittel, WC-Reiniger, nebst WC-Enten die hinter Türen quaken, zehnlagiges feuchtes Klopapier mit Umweltengel, Meister Proper, Duftkerzen und Duftstäbchen, die an Ken und Barbie erinnern.

Waschmaschinen leben länger mit Klingon.

Spülmaschinen, die Salze, Klarspülmittel und Reinigungstabs fressen und wieder ausscheiden, nebst unserer Essensreste. „Unser Dorf soll schöner werden!“, toll wie selbst Kanalisationen duften. Ich habe nichts gegen Wohlgeruch und Schönheit, doch warum übertreiben wir immer so?

Persil, da weiß man was man hat – guten Abend!

Waschlappen

Wasser macht mir Angst. Als Kind hasste ich Waschlappen abgrundtief. Besonders wenn sie mir das Gesicht aufweichen wollten. Es zwang mich auf dem Fahrrad mein Regencape anzuziehen und wie ein Trottel auszusehen. Nass wurde ich trotzdem; irgendwo lief es immer rein. Dazu kommt noch, dass Wasser immer das letzte Wort hat. Ziemlich anstrengend das Ganze. Noch schlimmer finde ich aber, dass es meint überall dabei sein zu müssen. Oft habe ich mich gefragt, ob ich wegen ihm lebe, oder für. Vor einiger Zeit habe ich festgelegt, dass es Ersteres ist. Freude fühlen und dankbar zu sein finde ich schöner, als darauf böse zu sein für jemand anderen zu leben. So etwas ist schrecklich. Degradiert dürfte ich mich dann fühlen; Leben zweiter Klasse.

Während ich jetzt darüber nachdenke, wie ich eben durch ekelhaften Norddeutschen Schneeregen gefahren bin, über traurig matte Straßen, vorbei an verzweifelten Bäumen, die ihre hängenden Arme am liebsten in die Erde gesteckt hätten, dann merke ich, wie mir die Kälte in die Glieder fährt. Nass und klamm, wie eine eisige Klinge. Ich merke, dass mein Wörterfluss ins Stocken gerät, als wenn die sinkende Temperatur auch meine Sprache erfasst; wie meine Stimmung in den Keller fährt, in die tiefen Schächte, dort wo es düster ist, kalt und nass; wie die Feuchtigkeit mir unter die Haut kriecht, mich immer mehr gefangen nimmt, bis ich merke, dass es wieder gewonnen hat, mich an die Wand drängt und mir die letzte Energie absaugt, bis ich still von ihm aufgenommen werde und weg bin, so wie meine Sprache, die schweigt und in der Stille wartet, irgendwann wieder neu erblühen zu dürfen. Vielleicht schon morgen.