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24.Juli – Trash – Odyssee 2022

Dieser Wixxer…! Wegen meinem verdammten Nachbarn kann ich nur noch unter Lebensgefahr duschen. Warum? Was war passiert? Vor wenigen Tagen hatte mein Video-Game-Süchtiger hebephrener Voiseng im Stockwerk über mir einen seiner berüchtigten Lach-Schrei-Anfälle.

Keine Ahnung, ob‘s Gaming

oder einer jener nie enden-wollenden Telefonate war, bei denen er so laut aufschrie, das ich unweigerlich an Screaming Jay Hawkings (s.u.) dachte. Jedes Mal fahre ich zusammen und denk darüber nach, die Männer mit den weißen Westen zu holen.

„Genauso war es – Monsieur Gendarm!“ – „Zeigen Sie mir den Tatort..!“

„Schauen Sie – mein Bad habe ich bewusst kompakt gehalten, um im Stehen oder Sitzen alles gleichzeitig machen zu können – UND – Putzaufwände zu reduzieren, natürlich alles unterm Deckmantel von Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Diversity und Bio, sowie dem moralischen Anspruch, wenig Weltraum zu bewohnen, wie es sich für allein.- und bewusst lebende nach-vorn-gebürstete Großstadtindianer gehört, deren einziger Überlebenskampf darin besteht,

freie Bistrotische und volle Weinflaschen zu jagen.

Vom Waschbecken aus kann ich meine Klobrille anheben, sowie Waschmaschine, die Duschtür und die Tür zum Banjo öffnen. „Genauso sah der Tathergang aus, Monsieur Gendarm….gerade drehte ich mich vielleicht 20 bis 45 Grad um die eigene Achse vom Waschbecken weg, um mich und meinen

Jardeng privée aus dem Kosmos der Nasszelleneffizienz herausmanövrieren,

weswegen mein leptosomisch angehauchter Alabaster-Körper nach dem Ablegen sich bereits in bester Gewohnheit in Fahrtrichtung befand, was mathematisch korrekt ausgedrückt die Mitte der Hypothenuse zu den beiden gleichschenkligen Seiten dieses rechteckigen Dreiecks darstellt – so schauen Sie doch – formschön gebildet aus Duschkabinen.- und Badezimmertür.

Da plötzlich geschah es!

Screaming hebephrenic Jay-Nachbar schrie wieder laut wiehernd auf, wirklich jeder erinnert sich an alte Kesselflicker, das ich schwer getroffen zusammenzuckte, wie‘n großer Kreutzer beim Schiffeversenken, so dass mein linker viel eigensinnigerer Arm im Vergleich zum wieselflinken, kruppstahlharten, stattdessen viel gehorsameren R-r-r-echten, derart zackig nach vorne stieß,

dass er die leicht geöffnete Badezimmertür

meteoritenmäßig heftig traf, weswegen dieser nicht minder blitzartig zurückschoss und mein Ellenbogen nach dem Entlangsprinten der Hypothenüse (sächsische Aussprache) zum kosmischen Ausgleich gegen die Duschtür donnerte, die ebenfalls just aus‘m Schlaf gerissen blindlings mit’m Kopf unterm Arm die Duschkabine zuknallte.

Da ahnte ich, wie sich der Vietcong fühlt.

Nur langsam erholte ich mich vom Schreck, schien aber offensichtlich aufmerksam genug geblieben zu sein. Da hörte ich das fürchterliche Fauchen, mit dem die angrenzende Glasscheibe der Duschkabine in abertausende Scherben in feinsten Glassplitternebel verwandelte, wie ihn nur grüne Mambas und Königskobras versprühten.

So eine Scheiße – fluchte ich!“ – „Erzählen Sie weiter….“

„Okay, Monsieur Gendarm! Langsam wie ’ne Spionagedrohne flog mein Blick an meinen Beinen herunter. Nachdenklich sah ich den Glasnebel von Oz, der wie die seichten salzigen Wellen der in der Abendröte vor sich hindösenden Ostsee hinter Neustadt in Schleswig-Holstein an meine nackten Füße brandete. Als hätten die griechischen Götter nicht bereits genug Spaß, lächelte mich die geborstene Scheibe an, die aus mir unerfindlichen Gründen im Ganzen geblieben zu sein schien.

Was tun? Nicht bewegen? Keine gute Option.

Zum Verhungern und verdursten fühlte ich mich nämlich noch zu jung. Ein weiterer lachender Aufschrei meines schizophrenen Nachbarn ließ mich erneut zusammenzucken; diesmal meine Füße, im Besonderen meine großen Zehen, die neugierig nach vorne schnellten und gierige Glasscherben dankbar in sich eindringen ließen. Blitzartig sprang mein aufgescheuchtes Nervensystem mit lauten,

Au-au-au Kacke-Pisse-Scheiße-Schreien,

aus dem Bad und bekam einen wutschnaubenden roten Kopf, der sich mich mit letzter Kraft und zittrigen Beinchen auf den nächstbesten Stuhl hiefte und damit begann, erste Glas-Trophäen aus meinem Fleisch zu pulen, begleitet von ständigem Schreien und prustendem Lachen, meines schwach ausgeleuchteten Nachbarn über mir, der sein Telefonat, oder Videospiel nach weiteren Ausrufen wie,

„Ah oui ? Mais non….ah oui ? Mais non….putain !“, endlich beendete!

Schon dachte ich an jene duschfreien zwei Monate, weil vor wenigen Tagen in Fronk-kreisch die Sommer-holy-days begonnen ham, die mit pythagorischer Routine am 32.August endeten, weswegen, mit Glück und Hilfe der fünften Republik, sowie dem Eigentümer, sowie unserem netten Guardien et moi, eine neue Scheibe, nebst Duschgenehmigung unterm Christbaum liegen dürfte.

In der Zwischenzeit sah meine Bude wie ‘ne Schlachterei aus – Sie sehen’s ja selbst!

Zwar hatten sich die Glassplitter irgendwann überreden lassen, aus meinem Fleisch zu scheiden, allerdings nicht ohne Überredungskünste meinerseits, was länger als gedacht dauerte. Auch steckten die Scherben tiefer als erhofft, dass ich gezwungen war, mein Opinel-messer zu zücken, hier schauen Sie nur, Monsieur Gendarm! In bester Rambo-Manier stocherte ich in meinen Füßen herum, dass mein Parkettboden wie nach ‘ner Schlachtung……Sie sehen es ja……..aussah!“

„Stellen Sie sich mal vor, Sie und die Männer mit den weißen Westen

Wüssten nicht, dass sie sich im Stockwerk geirrt haben und Sie ständen, so wie jetzt, in meiner an Blutopfer und Götterdämmerung erinnernde Bude, mit tropfendem Messer vor Ihnen, Monsieur Gendarm, ich wäre mir nicht sicher, ob sie meinen erklärenden Worten glauben schenkten, dass nämlich der

wahre Schuldige im Stockwerk über mir…….halt, was machen Sie denn…?!“

„Nun beruhigen Sie sich……..wir begleiten sie hinunter…..“, „Aber warten Sie, ich muss doch noch meine Sachen und….“ – „Nein,nein,nein – machen Sie sich keine Sorgen, wir kümmern uns um Alles……ja, wir schließen auch Ihre Wohnung ab…..so, ganz genau, gleich ist es vorüber……so, ist‘s gut……ist viel einfacher, wenn Sie kooperieren….“

Irgendwann wachte ich dann…..in der Klappsmühle auf….

03.Juli – Kiel – Odyssee 2022

An diesem Wochenende war ich in Kiel und hab ‘nen Kumpel besucht, der mit Freundin dort lebt. Meine Erinnerungen an die Stadt bestanden aus Regen und grauen Betonklötzen. Was ich dann zu sehen bekam hatte nichts mehr mit sechziger Jahre Tristesse zu tun. Wir machten ‘ne flotte Fahrradtour.

Im Hafen lagen dicke Kreuzfahrtschiffe.

Auf der Hafenpromenade wurde getrunken, gegessen und geflirtet. Die Sonne schien, es war wie Urlaub. Ein Partyschiff fuhr vorbei. Laute Musik und schreiende Menschen. Rollerblades, hier und dort, mit und ohne Musik, dazu Radfahrer in Hülle und Fülle. Tätowierungen stolzierten herum. Auf der anderen Seite lagen graue Kriegsschiffe, inklusie U-Boote und dem Stolz der deutschen Marine.

Die Gorch Fock. Hatte man sie nicht ausgemustert?

Das ganze Wochenende super Wetter mit tollem Essen, Weinen und spannenden Gesprächen. Kiel ist heute unglaublich grün und sauber. Vielleicht liegt das an Robert Habeck. Alles ist aufgeräumt und gut organisiert. Menschen halten bei Rot, tragen Fahrradhelme, reden wenig aber laut und verleben ihre Zeit.

Irgendwie kam mir alles unwirklich, wie inszeniert vor.

Ich hatte das Gefühl, auf ‘ner Bühne zu stehen, als wäre alles eine gewaltige Ausstellung. Irgendwo mussten Kameras stehen. Doch ich fand keine. Aber ich spürte, dass etwas Entscheidendes fehlte. So machte ich mich auf die Suche, ohne zu wissen wonach.

Ich weiß nicht was es ist, aber es fehlt in Deutschland.  

Kann sein dass es Alter, oder leben in Südeuropa ist. Oder beides. Ganz offensichtlich jedoch habe ich mich an Dinge gewöhnt, die mir hier fehlen. Später im Restaurant aßen wir vorzüglich. Ein 2016er La Clape ließ unsere Augen leuchten. Gegen zehn kam die Chefin mit der Rechnung und setzte uns vor die Tür. Wenig los heute – sagte sie – wir sind die letzten Gäste, wir möchten Verständnis haben.

Rausschmiss auf Norddeutsch.

Ich glaube es sind Gründlichkeit und Perfektionismus die mich stören. Dadurch bekommen Sachen mehr Bedeutung als Menschen. Schicke coole Gegenstände stehen im Zentrum. Ihre Anschaffung, Pflege und deren Updates geben digitalen Menschen Bedeutung und Sinn. Ein Gefühl von Kontrolle und Macht. Alles ist dann plötzlich wieder sicher, hygienisch, elektrisch und vegan.

Utopia für die einen – Dystopia für mich.

Wahrscheinlich liebe ich deswegen Hellas. Alles ist unfertig, roh und hoffnungslos. Daran kann man verzweifeln. Ausblenden ist aber auch keine Lösung. Es bedeutet Ablenkung vom Wesentlichen. Kann nett sein, besonders mit gutem Essen und Wein.

Auf dem Rückweg dann noch mal dicke Pötte.

Mittlerweile sind Kreuzschiffe umweltfreundlich geworden, sieh einer an, dachte ich so bei mir. Keine Ahnung wie die das machen. Bestimmt mit Solar, oder Brennstoffzellen und so Zeugs. Wieviel Müll die wohl produzieren. Wo landet der eigentlich? Noch dazu die vielen Toiletten.

Wo landen tonnenweise Scheiße und Pisse?

Sammelt man die in Tanks? Mich jedenfalls bringt niemand auf eine schwimmende Stadt. Überhaupt war das Wochenende irritierend. Dabei kann ich nicht mal sagen warum. Vielleicht ist es diese Leere, die ich überall spüre. Ich kann nicht mal sagen, ob sie draußen, oder in mir ist.

Wie könnte ich?

Alles was ich weiß ist, dass es Dienstag zurück nach Toulouse geht. Darauf freue ich mich. Morgen ein letztes Mal norddeutsche Sachlichkeit. Ich meine das ganz neutral. Bauhaus war auch mal der letzte Schrei. Vermutlich ist es fehlende Lieblichkeit.

Am Ende dreht sich alles um die Sonne…   

26.Juni – Tartaros – Odyssee22

Mein Kumpel Ede ist gestürzt; Ellenbogen und Nase sind verletzt; aus einer Unaufmerksamkeit heraus dachte ich, lag aber woanders dran; seine Frau rief den Notarzt, jetzt liegt Ede im Krankenhaus, Diagnose 2,0 Promille; fand sogar er beachtlich, wie er am Telefon sagte; lange haben wir telefoniert, über eine Stunde; Ede hat ‘ne Menge Kummer und greift deswegen zur Flasche; genau das geht mir an die Nieren; Ede lebt lang genug und hat ausreichend Gründe,

dass es ihm jetzt richtig Scheiße geht.

Nur Ignoranten*innen, Alpha-Vollpfosten*innen und Dummbeutel*innen kapieren‘s nicht. Man kann unmöglich 50 werden, ohne nicht mindestens 10 Mal gezweifelt und 5 Bauchlandungen hingelegt zu haben. Wieviel ist genug? Wieviel zu wenig? Wieviel zu viel? Wie kann man all das wissen, ohne auszuprobieren – ohne – hin und wieder zu scheitern?

Noch dazu ist Ede sensibel und empathisch.

Beides schätze ich sehr an ihm; nie stellt er sich ins Rampenlicht, oder fordert Sachen ein; meist bleibt er konstruktiv, dem Leben zugewandt – meistens, nicht immer; manchmal ist genug einfach genug. Das sein Fass am Überlaufen war, hat er vielleicht nicht flott genug gemerkt, erst nach und nach, vermutlich mehr unterschwellig, so wie eingewachsene Fußnägel, oder Splitter in Fingern, die sich – hin und wieder – bemerkbar machen. Sensibilität als Begriff schon ist komplex.

Nie weiß ich, von welcher man spricht.

Bei Empathie ist‘s einfacher. Man erkennt schnell, wieviel jemand hat. Sprache ist ein gutes Indiz. Je achtsamer jemand spricht, desto respektvoller ist der Umgang mit anderen – und – desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es sich um einen empathischen Menschen handelt. Deswegen habe ich eine metaphorisch-visuelle Empathie-Skala erfunden. Weit und offen ist sie, wie die Menschen und reicht von

Schmetterling bis Panzer.

Empathie, Takt und Sensibilität sind vermutlich die stärksten Eigenschaften, die Menschen charakterisieren. Spannend hierbei ist, wie die glorreichen drei heranwachsen und ab wann sie ihre Eigenständigkeit zurückgewinnen. Französisch zum Beispiel ist eine recht höfliche und diskrete Sprache, die dennoch

keine Auskunft über die drei Glorreichen gibt.

Oft vermischen Menschen Höflichkeit mit Empathie und Sensibilität. Dabei kann man höchstens Takt in die Nähe bringen. Nicht selbstausgewählte Sprachprinzipien und Methoden stellen keine persönlichen Werte, sondern gutfunktionierende Werkzeuge dar, was zumindest gewaltfreie Kommunikation unterstützt.

Ede hat alles und doch hat’s nichts genützt. Warum?

Es sich einfach machen und zu sagen, dass es eine Verkettung von Schicksalsschlägen ist, plus den üblichen Beziehungsproblemen, ist nicht meine Art. Außerdem würd‘s Ede nicht gerecht werden; daher drehe ich den Spieß um: Was treibt uns an? Was lässt uns leuchten, was lässt unsere Leidenschaft brennen?

Wie können wir Sonne bei all dem Schatten sehen?

Ich glaube Ede muss mal aus-checken, mal irgendwo alleine wohnen, weg vom gewohnten Umfeld, raus aus täglichen Ritualen, hin zu Neuerfindung, mit Natur, Stille, Frieden, Unabhängigkeit und Selbstbestimmung. Gilt vermutlich auch für seen Fru. Ich habe gehört, das sich Menschen aus Angst vorm Alleinsein aneinanderklammern, obwohl sie sich nicht gut tun.

Wie erkennt man sowas, bei aller Achtsamkeit?

Fünf Tage steckt Ede im tiefsten Verlies der Unterwelt. Was kann ich tun für ihn? Meine Wohnung hab ich ihm angeboten. Vielleicht hilft‘s ihm den Kopf klarzubekommen. Sowieso sind zur Zeit viele nachdenklich und am Grübeln. Viele versuchen Eigentum loswerden und wollen in den Süden. Würde sowas Ede helfen? Vielleicht erst mal kleine Schritte.

Von 2,0 zu 0,2 Promille – könnte ‘n erster Schritt sein.

Hoffentlich bekommt er‘s ohne Hilfe hin. Nostradamus lag auch nicht immer richtig, warum sollte Ede es nicht schaffen – ich glaube an ihn. Und Ede ist nicht allein. Frankreich und Deutschland geht‘s ähnlich. Man ist mit der Gesamtsituation unzufrieden, sieht wenig Licht im Tunnel, will sich nicht verändern, will alles lassen wie es ist und bleibt doch – unzufrieden.

Wie können wir machen, dass alles anders wird…?   

08.Mai – Sieg! Victoire! – Odyssee 2022

Was gibt’s Schöneres, als‘n Kriegsende zu feiern? Richtig – verdammt wenig. Zwar lohnt‘s sich darüber nachzudenken, ob zum Beispiel der Tod/t des King, oder das Ableben anderer künstlerischer Größen / Größinnen so in den Hintergrund treten, jedoch geschieht das, wie wir alle wissen, mehr aus Gründen dekadenter Zerstreuung. Oder in anderen Worten – manche Gedanken ordnen wir ganz bewusst als „vom Luxus des Friedens, kugelrund gesäugten abwegigen Umweg zum Müßiggang“ ein.

„Anti-Krieg“ passt auf jeden Fall immer.

Wer ist schon dafür, außer Kyrill und der neue russische GröFaZ. Wo wir aber heute, am 8.Mai nun einmal schon so feierlich zusammengekommen sind, liebe Gemeinde und uns bei Oblaten und rotem Traubensaft an den Händen fassen und Tränen akkumulierter Rührung aus unseren glänzenden Vogelnestern streichen, während wir über Themen wie Größe, Blut, Leib und Kriechende sinnieren, fällt mir ein, dass der heutige Tach gut zu Thema vier passt. Ihr erinnert euch bestimmt, nicht wahr?

„Du bist nichts wert und andere Anti-Motivationen…“.

Am zweiten April nannte ich verschiedene Themen; neun insgesamt, passend zu den neun Geboten. Anti – also gegen etwas zu sein, ist, wie ich finde, grundsätzlich attraktiv, solange es kein Automatismus ist. Erwartungsgemäß ist der 8.Mai unterschiedlich besetzt. In Deutschland heißt er „Kriegsende“. Außerhalb Germanias nennt man ihn schlicht „Sieg!“. Oder „Victoire“ Was interessant ist – ‘ne einzelne Nation verliert, damit die Mehrheit gewinnt.

Klingt nach der vom Aussterben bedrohten „Demokratia“.

Wir hatten bereits letzte Woche erste Vorschläge erörtert, wie man anti-national handeln kann; heute folgt daher die komplementäre Übung dazu – „Anti-Motivation“ – passenderweise am Tag des erlösenden Kriegs-Ende von WW2. Lasst uns daher ab sofort alles tun, um richtig unmotiviert und richtig wertlos zu werden. Aber wartet: Vielleicht haben wir Glück und wir sind‘s schon.

Lasst uns also mal schauen.

Wenn man bei Wiki sucht, findet ihr alle Möglichen; da gibt‘s mathematische, ökonomische und eine lange Liste anderer Werte. Auch moralische Wertvorstellungen gibt‘s. Aber anscheinend gibt’s keinen für Menschen, wie beispielsweise bei der Temperatur. Haben wir Menschen etwa keinen Wert? Merkwürdig. Wäre es nicht klasse, wenn man euch ein Messgerät in eine eurer – beispielsweise – Körperöffnungen steckt, um euren WERT zu messen?

Ehrlich gesagt finde ich’s beruhigend, dass es sowas nicht gibt.

Oder doch? Theoretisch, den Wissenschaften nach jedenfalls nicht. (Praktisch schauen wir uns das an einem anderen Tag an!) Philosophen sind sich ungewohnt einig. Nehmen wir als Beispiel den lieben Albert Camus. Wertlos zu sein und ein absurdes Leben zu führen, ist nicht nur möglich, sondern kann erleichtern, wie man am Beispiel Sisyphos‘ sehen kann.

Jene buchstäbliche Schuldunfähigkeit,

die uns die römisch-katholische Kirche anbietet funktioniert zwar anders, kommt aber zum gleichen Ergebnis; von Geburt an culpa haben und minderwertig sein, erlaubt mir bequem meine Verantwortung abzugeben, doch Obacht – warum ist wertlos eigentlich etwas Negatives für uns?

Warum wollen alle etwas wert sein?

Vor Wochen gestand mir ein Kumpel, dass er lieber mit reichen einflussreichen, statt mit armen unbedeutenden Menschen seine Zeit verbringt. Als Begründung nannte er mir, dass der Pöbel keine spannenden Geschichten zu erzählen hat, weil er von Natur aus ein langweiliges Leben führt. Zu seiner Ehrenrettung:

Er schoss den Nebensatz aus seiner ungesicherten Hüfte.

Und doch hinterließ es bleibende Spuren und Gedanken in mir. So wahrnehmend, leuchtete mir ein, warum sich mein Kumpel – vermutlich – ein wenig verirrt hatte. Lange kaute ich darauf herum. Ein paar Wochen später trafen wir uns wieder. Diesmal kam ich gleich zur Sache und sagte ihm, dass ich lieber Diogenes von Sinope, statt Cäsar treffe, wenn ich mir was Derartiges von den griechischen Göttern wünschen dürfte.

Überrascht zog er seine Augenbrauen hoch und begann zu grübeln.

Ich ergänzte, dass Diogenes, in der heutigen Welt, ein Obdachloser sein müsste, der sich noch dazu selbst, „Hund“ nannte, falls alle Überlieferungen stimmen. Ungewöhnlich lange schwieg und sinnierte mein Gegenüber. Ich war in bester Stimmung und schob weitere Argumente hinterher, so in der Art wie,

„Wert ist‘ne Betrachtung, von‘nem Standpunkt aus“.

Oder ist etwas, was ausschließlich im Vergleich zu etwas Anderem entstehen könne; für mich bedeutet wertlos zu sein, völlig frei von Vergleichen und Erwartungen leben zu dürfen, idealerweise es auch zu bleiben. Oder in kürzester Kürze:

Kein Sinn, kein Schein – nur Zeit und Sein.

Was das mit WW2, Anti-Motivation, Wertlosigkeit und Beteigeuze zu tun hat? Und wieso Menschen Sinn suchen, wertvoll, wahrgenommen und geschätzt sein wollen, anstatt, ohne Qualitätssiegel der Anderen zu versuchen sich selbst zu mögen, um ein anti-auffälliges, anti-spannendes, dafür aber zufriedenes Leben zu führen? Keine Ahnung.

Wenn ich will – alles. Wenn nicht – nichts!

Letztendlich – das sage ich euch in aller Deutlichkeit – siegt immer Fleisch, Blut, Hunger, Durst und Zeit. Solange man kauen, trinken, und lieben kann, sollten wir uns aus vollster Brust bis zum letzten Tropfen verschwenden…

Halleluja ruf ich euch durstigen Seelen zu….

Und Proust…!