Ich liebe Fisch. Eigentlich bei allem, was aus dem Meer kommt, können sich Gaumen und vor Allem meine Zunge nur schwer in Geduld üben. Quasi mit offenen Sinnen werden all die Früchtchen empfangen, die sich ihnen nähern. Nicht immer war das so; als ich meine ersten Kostproben machte, ich glaube ich war so zwischen 16 und 19 oder so, habe ich sie zum allerersten Mal probiert. Doch Geschmack, Textur und Duft waren so exotisch, dass ich erschrocken zurückprallte und nur mit Mühe gegen meine Besinnungslosigkeit ankämpfte.Was für ein vorzüglicher Planet war das doch, der einem Mofa’s, Bier, Wein, Zigaretten, Mädchen, Colt Seavers, Miami Vice“ und diese herrlichen Früchte schenkte, dachte ich mir damals.Gestern brachen diese alten Erinnerungen, wie ein „Blitz-Vulkanausbruch“ vor mir aus, als ich mit meinem alten Kumpel und Steuerberater zum Dinner verabredet war. Er hatte eine bekannte Adresse im Hamburger Norden, genauer gesagt, im Speckgürtel, vorgeschlagen, die für ihre anständige Küche und Lokalfolklore bekannt ist.Für meine Verhältnisse kam ich ziemlich pünktlich an und parkte ein wenig im Abseits, um mir die gut genährte Gegend anzuschauen. Selbst im Dunkeln erkannt man, dass es hier allen seit Jahrzehnten prächtig ging. Nur selten ging man hier essen, weil man Hunger hat. Eine bessere Location konnte man mit so einem Restaurant gar nicht finden, dachte ich mir, als ich den Laden betrat und mich umsah, wer hier so alles speiste, mampfte und sprühregenartig lachte.Mein Kumpel wartete noch nicht allzu lange, hatte jedoch schon seinen Aperitif vor sich stehen, an dem er wohlerzogen langsam und vorsichtig saugte – ein „Schwarzer Hugo“ mit Strohhalm schien sein Interesse geweckt zu haben. Nachdem die äußerst sympathische, weibliche Bedienung so freundlich war, mich darüber aufzuklären, dass ein „Apéro-Rhabarber-Spritz“ doch eher was für Mädchen ist, nahm ich all meinen Mut zusammen, um sie zu fragen, ob sie bei mir heute eine Ausnahme machen könnte, was sie mit fröhlichem Lachen herzlichst beantwortete.Wir plauderten über damals, gestern, heute und morgen und kamen nur mühsam mit der Essenauswahl voran; korrekterweise muss ich sagen, dass ich der Jenige war, der sich schwer tat. Beim Blättern durch die Karte merkte ich, dass ich noch unentschlossen war, ob ich auf Fisch oder Fleisch gehen sollte, entschied mich dann doch aber überraschend schnell für Ersteres, da ich mit Anfang zwanzig doch endlich ein großer Freund von meinen schlüpfrigen Meeresfreunden wurde.Zufrieden las ich die Karte und fing zu lächeln an, als ich „Sexy Freak Roll“ las. Zuerst blickte ich ein wenig abwesend in die unendlichen Weiten des Weltraums, während ich mir versuchte vorzustellen, um was es sich da wohl alles handeln könnte, bis ich „Shaved Tuna“ las, den man offensichtlich mit Gurke, Garnelen und Avocado veredelt hatte. Als dann „Love Roll“ und „Surf and Turf“ folgten, blieb meine Überraschung schon wieder in ihrem Bau liegen, bis ich dann auf drei magische Worte prallte, die mitnichten meiner Fantasie entsprangen, sondern mir stattdessen wahrhaftig mit gespreizten Beinen ins Gesicht sprangen, wenngleich, dass muss hier gleich präventiv vorab ergänzen, es sich in diesem speziellen Fall um „Acht“ Beine handelte:Crispy Hot Pussy,stand da mit obszön kurvigen Buchstaben, was mich blitzartig auf Drehzahl brachte. Ertappt sah ich mich vorsichtig um und las noch mal. Keine Änderung, es stand immer noch da. Ich lockerte meinen nicht vorhandenen Schlips, atmete tief durch, nahm einen tiefen Schluck von meinem Mädchen, Entschuldigung ich meine von meinem Mädchengetränk und las mit meinen zwei sittsamen Beinen fest auf der Erde erneut die einzelnen Buchstaben, die immer noch nichts anderes ergaben.Es bedurfte umgehend einer Klärung. Ungeduldig winkte ich die sympathische, weibliche, vielleicht vierzigjährige Bedienung heran, die ich mit zitterndem auf die Karte zeigenden Finger, ungeduldig mit den aus mir heraussprudelnden Worten Empfang:„Crispy Hot Pussy? Im Ernst…?“„Unsere Küche mag diesen Wortwitz sehr……“„Ich meine, ist schon verstanden, „Octopuss“ und so, aber wenn ich ehrlich bin, habe ich jetzt dann doch als erstes an etwas anderes gedacht, was natürlich der gewaltige kapellmeisterartige James-Last-eske Riesenspaß ist, schon kapiert, aber – im Ernst?“ Nur mit Mühe kriegte ich mich ein, während die arme Bedienung mit hoch erhobenen Händen ihrer Verzweiflung Ausdruck verleihte, wie eng sie sich doch mit dieser Form von Humor verbandelt fühlte.Ich drückte im Geiste den humorigen Spaßvögeln aus der Küche alle Daumen, dass alle Gäste ähnlich meinungsfreiheitlich, locker, knusper-knabber-knackig-frisch und liberal geben, wie mein Kumpel und ich, ließ die drei Worte noch eine Weile auf der Zunge zergehen, sowie alle Bilder aus meinem Gedächtnispalast, die sich mir mit unerwarteter Fülle aufdrängten, bis ich mit seeligem Lächeln wieder in den seidigen Schoß des unendlich schönen Kosmos schaute und zum aberhunderdsten Mal bekenne musste – la vie es belle!