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30.März – Odyssee 2022

Bin heute morgen laufen gegangen. Zum ersten Mal seit fucking Corona die große Runde. Es nieselte, aber nicht hanseatisch. An der Garonne bog ich rechts ab. „Auf geht’s!“, dachte ich. Am Place de la Daurade kam mir ein anderer Läufer entgegen. Männlicher Weiser wie ich. Gleiches Alter, gefühlt vierzig, in Wahrheit fünfzig. Er schnaubte und sah wütend und böse aus.

Auf seinem T-Shirt stand – „Finisher“.

Ich entschied mich, nicht zurückzuschauen, was er geschafft hatte. Vermutlich ‘nen Marathon, Triathlon, oder sich selbst. Menschen die Dinge Abbrechen finde ich spannender. Im Abbrechen finde ich Humanismus. Denn in Wahrheit machen wir – außer dem eigenen Leben – nichts zuende. Und selbst davor haben wir Angst. Wenn jemand mitten drin auf hört, weil er Studium, Job, Beziehung oder weiß der Geier was, doof findet, ist das viel mutiger.

Not-finished, finde ich sympathisch.

So grübelte ich vor mich hin, als ich die Pont Catalan überquerte. Auf der anderen Seite sah ich ein paar Obdachlose, die ihr Hab und Gut unter ’nem Unterstand zusammenrafften. Komisch, dieser Wohlstand. Wenn man ihn hat, nimmt man ihn irgendwann, im schlimmsten Fall, Gott gegeben. Dann geht’s bergab. Man glaubt es steht einem zu.

„Habe ich doch alles verdient, oder etwa nicht, Schatz?“

Merkwürdige Welt. Zur Zeit kommen verstärkt Kriegsbilder ins deutsche Wohnzimmer. Dank digitaler Medien landen zerschossene Körper jetzt in 3D direkt im Vorgarten. Ein reality Splatterspiel. „Soll ich das etwa wegmachen? Ruf die Polizei, Schatz!“ Klar ist das toll, wie den Menschen geholfen wird. Und doch macht es mich nachdenklich. Keine Ahnung ob ihr wisst, was ich meine.

Vielleicht bleibe ich immer unzufrieden. Gut möglich.

Vielleicht nervt mich, dass wir uns immer nur bei Krisen bewegen. Wenn es uns an den Kragen geht, dann werden wir solidarisch. So gesehen, hat die ganze Scheiße was Gutes für sich. Wenn jetzt wieder alle über Freiheit und Wohlstand nachdenken, dann tut es vermutlich mehr weh, wenn wir ihn etwas verlieren. Vielleicht kämpfen wir dann wieder dafür.

Ich werde daher ab heute nicht nur Sonntags schreiben, sondern immer dann, wenn mir was einfällt – egal was es ist. Mal schauen wie ich das finde.

Bis bald…