29.Mai – Chinaski in Athen – Odyssee 2022

Gestern 10:40 – Ankunft Toulouse. Die Sonne brennt; kein Problem, dank 3-wetter TABS. Während des Flugs spürte ich, wie Athen an mir zog. Aus’m vollen Gallop stieß mich diese nimmersatte Großstadt-Hure vom Pferd und bohrte mir ihre brennende Lanze ins Herz. Das war’s. Ausgespielt. Game over!

Hatte keinen Zweck es zu leugnen – ich musste da bald wieder hin.

Mehr. Öfter. Warum nicht für – immer? Dieser Rhythmus, die Farben, Düfte, Menschen, die antike Vergangenheit und dann diese f***ing Sprache! Um sich da wohlzufühlen und nicht im Strom des Kosmos unterzugehen, muss man bereit für’s intensive Leben sein. Für Dornfelder-Freunde ist das nix; wenn man sich aber am Gesäuge eines fetten Côtes-du-Rhônes labt, gar festsaugt, wird es dich in der Luft zerreißen.

So wie mich!

Eine Woche leben wie Hank Chinaski, lautete meine Devise. Nahezu blitzartig zuhause fühlte ich mich. Auch die zwei Monate Hellas-Intensiv-Online-Kurs haben ihren Teil dazu beigetragen. Zwar sind kleine Alltagsphrasen noch nicht aktiv nutzbar, aber ich verstehe deutlich mehr. So schmolz ich dahin in diesem Hornissen-Nest.

Schon bildeten sich erste Lokal-Rituale.

Kaum hatte ich mich in meinem Turm eingerichtet, sortierte ich mich flott. Ich hatte ‘nen Supermarkt vor der Haustür. Passender Name – Bazar. Na das konnte was werden, freute ich mich; flott runter-gerauscht, Maske auf und los gings. „Gia-sas..!“, grüßte ich die Frauen an den Kassen und ihren Türsteher; einmal Athen-Standard; griechischer Kilo-Pott Joghurt, Gurken und reichlich Rosé- und Rotwein. Dazu Olivenöl, kretisches Knäckebrot, Honig, Salat und ’nen Sack Tomaten.

Mehr braucht es nicht.

Freundliches zahlen anner Kasse; alles rein in meine Plastiktüten gestopft, fühlte mich tatsächlich wie Hank. Kaum hatte ich alles verstaut, wetzte ich wieder runter und streunte durch die Straßen. Gierig wie ein grauschnäuziger Cocker-Spaniel, der den Duft einer läufigen Hündin in die Nase bekam, schnüffelte ich an Allem, was mir vor die Schnauze kam.

Hier gibt’s Alles und noch mehr.

Cafés, Tavernas und einen großen Sack Armut. Meine Güte, da kommt was auf uns zu, dachte ich. Früher oder später wird’s uns zerlegen. Hier gibt es alles flott und zack-zack auf die Hand. Fressen auf die Faust und Espresso freddo to go, die hellenische moderne Café-Alternative zum klassischen Mocka,

den Kumpel Ede – Gruselkaffee nennt.

Bald vergrößerte ich meinen Radius. Rauf aufs Moped und ab durch die Hecke. Meine Güte, dieser Verkehr – ich kam aus’m Lachen, Grinsen und Kopfschütteln nicht raus. Wie großartig – es erinnerte an‘ne Mischung aus Bangkok und Rom. Gnadenlos zischte es auf meiner Haut, als mir die antike Mega-City ihr Zeichen auf den Pelz brannte.

Ich ließ sie gewähren.

Schnell bin ich im Flow der Stadt und lass mich wie Treibgut, ziellos, mal hier und dort hinspülen. Wundervoll. Noch dazu das Licht. Angelos Straßen-Café ist im Grunde ‘ne Art Bauchladen, den er aus ‘nem Gebäude heraus betreibt; Chapeau, er macht den besten Espresso-Freddo XL der Stadt – UND

lässt dazu geilen Elektro laufen.

Aber am Besten ist, dass sein Laden am Schambein von Athen steht. So wie das Goldfisch-Glas inner Schanze von Hamburg. Hier findet Leben nicht nur statt: Hier operieren die griechischen Götter höchstpersönlich am Herzen des Lebens rum, während wir ihnen dabei zusehen, selber Teil davon sind, weil es nämlich – Unseres ist! Man ist schockiert und fasziniert zugleich:

Alda – was hier abgeht!

So sind wir Menschen? Wow! Nach meinem Morgencafé – das Frühstück kommt immer davor und besteht aus Joghurt und Honig – geht’s rauf auf meinen Gaul und weiter; entweder gibt’s meine Akropolis-Kontrollrunde, oder was mit Kultur – so wie z.Bsp. das Lykeion von meinem Kumpel Aristotels: danach schreiben, gefolgt von lesen; gegen 15:00 Uhr leichtes Mittag, bestehend aus Tomaten, Olivenöl, Basilikum und Kreten-Brot, mit Rosé. Dann Schiesta – mindestens ’ne Stunde.

Zweite Schicht – schreiben, dann wieder lesen.

Chinaski hatte Recht. Wenn man sich nicht genügend bewegt und am Leben abarbeitet, fühlst du dich nach ein paar Tagen wie ein durchgeladenes Insekt; dann läufst du Gefahr onanierend und sabbernd im Bett zu liegen; bei permanenter Reizüberflutung, hohen Temperaturen, den Wogen halbnackter Brüste, die BH-los vor der Nase rumhopsen, hilft nur nachschenken oder Hand anlegen.

Oder – BEIDES!

21:00 Uhr. Meine zweite Schicht ist beendet; ich belohne mich mit Wein. Diesmal Roten. Stark und schmutzig muss er für mich sein, so wie das Leben. Dann je nachdem, was mein ‘tite creux sagt, gibt’s Abendessen – jedoch nie vor 22:00 Uhr. Streetfoodmäßig ist Athen ein Paradies.

Hier gibt’s alles Mögliche auf die Faust – außer Wurst.

Gekocht und geschrieben wird in der Küche, wo sonst. Nach getaner Arbeit geht’s ab auf die Terrasse; dort wartet ein bequemer Stuhl, mit weicher Auflage; und damit ich ein Gefühl für die Rituale alter Männer bekomme – in Wahrheit ist es die Hitze, die einem Klamotten vom Körper reißt – renne ich in Unterhosen rum.

Einfach großartig!

Und damit alles seine Richtigkeit hat, liegt auf der Auflage ein Handtuch; daneben steht ein Glastisch, mit meinem Wein; zwischen mir und dem gegenüberliegenden Häuserblock rauscht der Strom des Wahnsinn vorbei; hin und wieder brechen sich seine Wellen an den Eingangsstufen der unzähligen Frisöre, Shops, Tabakläden, Mini-Supermärkte und Drogerien, sowie IT- und Spirituosenläden.

Seit ich mich drauf eingelassen hab, ist ‘ne unbekannte Tür aufgegangen.

In kurzen Hosen und T-Shirt durch diese Stadt zu brettern, lässt dich wie ein Eroberer fühlen; du wunderst dich über jeden Meter, noch am Leben zu sein – vielleicht ist das die Magie von Athen. Am letzten Tag Apéro mit Savvas. Drei Stunden Schlaf blieben auch in Athen kurz, dachte ich mir, als ich mein Motorrad-Topcase am Toulouser Airport öffne und den Helm aufsetze.

„Ist hier mein zuhause….?“,

fragte ich mich. Gab’s so ein Gefühl noch in mir, das sich nach nostaligischen Gefühle wie Heimat, oder Dergleichen anfühlt? Oder war’s mittlerweile ein und das Selbe? Wie lange würd es anhalten? Konnte ich mir wirklich vorstellen nach Athen zu gehen? Oder war ich über den Punkt hinaus, dass es ein „Ankommen“ wie Kumpel Ede es nennt,

für mich nicht mehr funktioniert?

Wurden wir wieder Nomaden, so wie früher? Digitale Wanderer zwischen den Welten? Keine Ahnung. In Toulouse anzukommen fühlte sich jedenfalls immer noch gut und richtig an – nur das zählte.

Alles andere wussten nur die griechischen Götter…

Anm. d. Redaktion: TABS = Temperatur-Autonome-Bermuda-Shorts

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert