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Notre Dame und die Post

Ich fand die Bilder ergreifend – richtig berührt haben sie mich. Irgendetwas in mir war fassungslos, als ob was ganz Altes und Fragiles, kaputt gegangen ist – bin gespannt, was die Ursache gewesen ist – schlussendlich ändert das zwar nichts an der Zerstörung, aber es gibt einen Hinweis, ob man es mit Nachlässigkeit, oder was Anderem zu tun hat – noch verstörter wurde ich, als n Kumpel aus Bordeaux nen Bericht schickte, aus dem hervorgeht, dass in den letzten Monaten diverse französische Kirchen brandten.

Finde das irritierend – warum brennen die auf einmal so zahlreich? Sind nicht alle aus alten Steinen gemauert? Klar, Holz brennt besonders gut, wenn es uralt ist und herrlich ausgetrocknet, abgelagert noch dazu; aber die Empörung darüber, dass ein paar Reiche in kurzer Hand angeblich eine Milliarde Euro gespendet haben, um den Wiederaufbau von Notre Dame zu bezahlen, verstehe ich nicht.

Privaten Reichtum gibt es seit Menschengedenken. Warum nicht mal die Schatulle aufmachen und ein stattliches Sümmchen hinblättern? Sich zu echauffieren, dass man alten Steinen leichter spendet, als Menschen, denen es schlecht geht, finde ich ziemlich miesepetrig, reaktionär und destruktiv; Notre Dame kennt man halt; die hungernde arme Familie im Viertel nebenan halt nicht – was ist da bloß los?

Am Ende alles Unfug.

Ist weder ein französisches, deutsches oder europäisches, sondern ein globales Phänomen der heutigen Zeit; Negatives macht nunmal mehr Schlagzeilen, bekommt mehr „Klicks“ – alles hangelt sich von einer Empörung zur Nächsten; ständig ist man im Drehzahl-Begrenzer; nichts und niemand will mehr gemütlich und still vor sich hinleben, oder gar durchschnittlich und gewöhnlich sein; schöne neue Welt; alles in satten Photo-Shop-Hochglanzfarben; Fehlfarben? Völlig fehl am Platze. Exzellent sein, talentiert und zielorientiert; was bewegen; Quality-Time, Uni-Ranking, überall großes Pimmelfechten, am Besten schon in der Sandkiste, Expertentum, überall, jeder reißt sein Maul auf, so weit er kann; alles raus, was keine Miete zahlt; recognition um jeden Preis; schlechte Presse ist besser, als Keine; Brexit; Rauchverbot; alles Bio und vegan – fuck-off!

Durchschnittlichkeit und Laientum sollte man gesetzlich schützen lassen; überall rennen nur noch Profis rum; Methodik, Grundgerüst, Architektur, alles bullshit! Wer seine Einfälle gleich nach der Geburt einsperrt, hat den Schuss nicht gehört; hat doch nichts mit Kreativität zu tun – gesunden Menschenverstand nennen wir ja auch nur das, was wir offenkundig als richtig und pragmatisch empfinden, weil es uns der Bauch sagt; alles ist heute profund – zum Kotzen!

Hatte reichlich Würgereize vor wenigen Tagen; ich bekam ein Einschreiben, mit Rückbestätigung an den Sender; musste meinen Personalausweis vorlegen und alles. Als ich dann las, dass „La-France“ mich zum Aderlass bittet, wurde mir heiß und kalt zugleich. Wenn du in Frankreich etwas vergisst, ist das nicht schlimm; man geduldet sich, ist höflich; man wird erinnert, bekommt ein Schriftstück, dann ein zweites, so wie angeblich ich, in dem mich der Finanzbeamte daran erinnerte, meine Steuern für 2017 zu bezahlen.

Hatte ich das etwa nicht? Komisch, irgendwie war mir, dass ich das gemacht hatte; Monsieur Inspektor hatte mir offensichtlich einen Brief geschickt – Mai oder so; kann mich nicht daran erinnern; dann im Oktober das Zweite; ebenfalls Fehlanzeige, habe ich nie bekommen. Heute dann die Verkündung, dass man mir 40% Strafe auferlegt, weil man Gesetze hat, die Verzögerungen mit eiserner Faust ahnden.

Viertausendfünfhundert Euro Strafe – die spinnen die Gallier!

Heute macht man alles online; e-mails, online-banking, Flüge buchen, Bücher und Lebensmittel kaufe, ja sogar Steuern überweisen, jedenfalls im modernen Frankreich; warum man sich dann aber auf die Post verlässt, wenn man einen braven Steuerzahler darauf aufmerksam machen will, dass er bitte doch dann jetzt mal seine gesamte Steuer begleicht, das ist die Ironie dabei, mehr noch, ich finde es zeugt von paranormalem Denken, sowie dem dazugehörigen absurden Weltbild.

Im Grunde eine transzendente Vorgehensweise, wie man sie am Ehesten in der Esoterik findet – mit gleich hoher Lieferwahrscheinlichkeit, wie per Brieftaube – obwohl, ehrlicherweise muss ich gestehen, dass ich den Tieren mehr Zuverlässigkeit zutraue, als der französischen Post; zu leicht ist der Mensch abgelenkt. Gestern hattest du Streit mit der Frau; dein Sohn hat wieder ne fünf im Zeugnis, der Nachbar ist ein Arschloch, das ständig Partys bis spät in die Nacht feiert, dein Chef fordert mehr, als du kannst……die Liste ist endlos.

Brieftauben sind eher selten in Gedanken bei ihrer Buntwäsche – dann und wann steckst du halt Post in nen falschen Briefkasten, was will man machen? Wahnsinn sitzt halt  überall – in Finanzbehörden genauso, wie zuhause am Abendbrottisch.

-Papa reich mal den Senf.

-Hier, nehm nicht zuviel davon, ist nicht gut für die Zähne

-Ich geb schon acht; wie war dein Tag?

-Anstrengend, hab die Nase voll von diesen Typen, die sich über die Post beschweren;

-Gibt es so viele?

-Ständig, natürlich, mein Kind!

-Schatz gibst du mir noch einen Schluck Wein?

-Trink nicht so viel Papa, das ist schon dein drittes Glas

-Dabei sollten die Heinis mal bei meiner Tour mitkommen, dann wüssten sie Bescheid; ist unmöglich, alle Briefe korrekt zuzustellen, wenn man die Namen auf den Briefkästen nicht lesen kann, weil die Handschrift Kacke ist, oder vom Licht ausgeblichen – Prost!