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Alles NEU – Odyssee 2021 CW49

12.Dezember – Dritter Advent, Olaf ist Kanzler geworden. Deutschland hat ’ne neue Regierung. Immer noch sind viele Menschen gegen Impfung, glauben an Chemtrails und Trump als wahren Präsidenten der USA, an Area51, Eidechsen-Menschen, Außerirdische und Kornkreise. Wasser bleibt nass. Und immer noch ist es nachts dunkler als am Tag.

Wie kommt das bloß?

Und wieso, verdammt noch mal, ändert sich so wenig? Haben wir nicht Klima und so? Müssen wir nicht viel viel umweltfreundlicher sein? Oder finden große Veränderungen immer woanders statt? Langsam blicke ich da nicht mehr durch. Und überhaupt: Bald ist Xmas und Sylvester. Dann beschenken wir uns wieder was das Zeug hält und schießen uns mit reichlich Essen und Alkohol so sehr ab, dass so mancher seine Festplatte am nächsten Morgen frisch formatiert vorfindet. So ist’s richtig. Immer schon wegschmeißen und zerstören.

„Alles neu!“

Sagte mir‘n Kumpel neulich, als es nach fünf Jahren wieder ‘ne neue Einrichtung gab. Wo die alte landete? In Ofen und Mülltonne. Mit Autos ist es ähnlich. Man kauft sich was für vierzig Lappen und zehn Jahre später bleiben mit Glück fünf übrig. Scheint aber keinen zu stören. Geht ja immer so weiter, nur dass man jetzt nicht mehr die vierzig ablatzt, sondern sie perfider monatlich abnickelt – leasing heischt das Janze. Man knallt die Kohle zwar trotzdem raus, aber das scheint nur mich zu stören.

Deswegen gelobe ich heute feierlich – ab 2022 nicht mehr darüber zu reden.

Stattdessen Satire, Schlager, Groteskes und Trash. Immer mitten in die Fresse rein. Gewalt, besonders psychische ist die Schönste, besonders in Beziehung. Gibt doch nichts besseres, als regelmäßig durch-gemöbelt zu werden. Wenn man sich so richtig scheiße fühlt, geht es auch wieder bergauf. Nur Avantgardisten und Perverse sehnen sich nach dem großen Bergab.

Krieg – bringt Zukunft,

sag ich immer. Immer schön weiter für Konsum und Wachstum in die morgendliche Arbeitsschlacht ziehen. Landgewinnung, Macht und Reichtum Konzentrierung. Lasst uns Kolonien gründen, sowie Kinderarbeit und Sklaventum fördern. Randgruppen unterdrücken.

Religion als Heilig bewerten. Islam lesen. Konvertieren. Und gleichzeitig mehr Klamotten kaufen, bis unsere Kleiderschränke bersten. Viel mehr E-Scooter, Fahrräder und Autos. Alles rausknallen, bevor steigende Inflation alles unbezahlbar macht.

Hauptsache – alles neu.

Wegwerfmöbel für Wegwerfmenschen. Hauptsache kaufen, saufen und ficken. Alles andere ist wurscht. Kultur gehört in den Schredder. Männliche Küken auch. Kunst gehört abgeschafft. Synfonie-Orchester sind viel zu teuer. Bücher zerstören nur den Wald. Alles abschaffen und verbieten. Als entartet abstempeln, was zum selber-denken einlädt.

Ham wa ja Übund darin in Teutonia.

Stattdessen braucht der moderne Ubermensch Konsum, Suff, Verdorbenheit, Völlerei und Trash. Aber alles schön digital teilen, digga! Wie ist das mit Sklaven? Kann ich nicht irgendwo einen kaufen? Oder noch besser mieten und leasen. Durch-Tauschen, wegschmeißen, erneuern, entsorgen.

Ist sowieso viel geiler.

Neulich trennte sich ein befreundetes kinderloses Paar. Schnell ging es ans Eingemachte. Man plünderte gegenseitig die Konten, räumte das ehemals gemeinsame Haus aus, machte sich über Schmuck und Uhrensammlung her, vertickte, verzockte alles, übergoss Autos mit Farben und Fäkalien, zerschnitt und verbrannte Kleidung. Dann eskalierte es. Schreiend und prügelnd fielen sie übereinander her. Messer waren auch im Spiel.

Es floss Blut.

Irgendwann kam die Polizei. Jedoch nicht rechtzeitig genug. Schon stand das Haus in Flammen. Schreie erfüllten die Nacht. Als die Feuerwehr kam, war es zu spät. Polizisten zwang die Feuerwehr PCR-Tests zu machen, bevor sie das brennende Haus löschen durfte. Scheiben gingen in der Zwischenzeit zu Bruch.

Kurz darauf stürzte mit lautem Tösen das brennende Haus ein.

Offensichtlich sah der Dachstuhl nach zwanzig Minuten keine Möglichkeiten mehr, seinen Dienst weiter zu erfüllen. Es herrschte Stille. Knisternde Flammen fraßen sich weiterhin gierig durch die traurigen Reste des ehemals schönen Haus‘, das man mit viel Liebe fürs Detail gebaut hatte – um letztlich nach dreißig fetten Jahren, dem gemeinsam sorgfältig aufgespartem und jetzt endlich freigelassenen Hass zum Opfer zu fallen.

Wohin wir auch sehen – überall herrscht Krieg und Elend…

Besonders wenn wir in den Spiegel sahen….

 

 

 

Liebe Worte – Odyssee 2021 CW26

04.Juli – D saß im Büro von Hans-Werner, um sein Auto abzuholen. Es hatte ne Inspektion bekommen, nichts Großes, sondern schlicht notwendig, wenn Dinge weiterhin funktionieren sollen.

Sie plauderten ein wenig, während Hans-Werner aufgeregt unter einem Kunden-Auto herumturnte und offensichtlich schon länger und versuchte, einen Schlauch des Ladeluftkühlers in selbigen zu stecken. Zwar gab es einen roten Kopf und reichlich weiß hervortretende Fingergelenke, jedoch leider ohne gewünschten Erfolg.

Irgendwie fehlte eine Dichtung.

Als dann der Kunde zur Werkstatt reinkam und sah, dass der Wagen offenkundig noch nicht abholbereit war, gab es die in Norddeutschland üblichen wortgewaltigen Diskussionen, die letztendlich darin mündeten, dass Fossi – sein wirklichen Namen kannte D nicht – zwar seinen Wagen doch überrraschend mitnehmen konnte, weil Hans-Werner die fehlende Dichtung doch noch fand und alles erfolgreich zusammenbaute, während Fossi überrascht bemerkte, dass er nicht genug Geld mit hatte.

Ihm fehlten fünfzig Euro.

Weil Fossi jedoch von seiner Frau gebracht wurde, begann die Hoffnung in ihm zu brennen, dass sie eventuell die fehlenden Euronen bei sich haben könnte, und weil man sie mit ihrem Audi noch an der langen Auffahrt stehen sah, gab es gute Chancen, dass letzten Endes doch alles zum Besten kommen könnte.

Gesagt getan.

Um seiner Ernsthaftigkeit zu demonstrieren, rief Fossi seine Herzensdame über sein Smartphone an und stellte es hoffnungsvoll auf Lautsprecher, ohne ihr davon zu erzählen.

„Schatz – mir fehlen fünfzig Peseten, um die Rechnung von Hans-Werner abzutalern; hast du eventuell Kohle dabei?“ Erwartungsvoll hoben die drei Männer ihre Augenbauen immer weiter in die Höhe, als könnten sie durch die steigende Spannung das Schicksal unterstützen. Nach einem fauchendscharfen Einatmen der Liebsten rollte die Antwortwelle duch das Handy heran.

„Verpiss dich, du Ficker!“

Als der Kanonendonner dieser brachialen Antwort verhallte, wurde die Verbindung auf der anderen Seit ohne Vorwarnung gekappt. Andächtige Stille flutete die Werkstatt. Stirnrunzelnd und ergriffen standen die drei Männer auf ihren einsamen Inseln, um Fossi’s Smartphone herum, das er wie die gesegneten Oblaten von Papst Franziskus in der tätowierten Hand hielt.

D hätte sich in diesem Moment gerne verkrochen, um Fossi mit Erlebnis und den unzähligen, daraus folgenden Fragen und Zweifeln alleine zu lassen. Was mochte er denken, oder gar fühlen? Was dachte Hans-Werner? Seinem ernsten Gesicht Glauben schenkend, mochte man meinen, dass er gerade in seinen Erinnerungen kramte, ob er ähnliche Erlebnisse erlebt hatte.

Während Fossi immer noch die leuchtende Hostie im Zentrum der drei Männer emporhielt, unfähig sich vor Schrecken und Angst zu rühren, als würde jede mögliche seiner Bewegung eine Kettenreaktion auslösen, über die er weder nachdenken, noch im Voraus reinspüren wollte, dass er sich tief drinnen entschloss, all diese anstehenden weiteren Desaster so weit wie möglich hinauszuzögern und von sich zu schieben.

D kramte währenddessen in seinen Taschen herum.

Völlig überraschend fand er fünfzig Euro, die er gerade im Begriff war hervorzuziehen, als Fossi den Fall mit einem salomonischen Kommentar und einem nicht von dieser Welt stammenden warmherzigen Lächeln zu den kosmischen Akten legte, dass ähnlich müde, aber zufrieden strahlte, wie Tom Araya, nach einem Konzert, an dessen Ende „Angel of death“ auf der Liste stand, und dessen Anfangsschrei Tote auferstehen lassen konnte und den Slayer-Sänger, sowie Fossi, in glückliche Apathie fallen ließ.

„Arschloch kannte ich schon – Ficker ist neu!“