Es sollte, es musste so sein … Es gab unfassbar viele Gründe, diese Tour zu machen, ein anderes, ein Neues Moped, war nur einer von Vielen … Schnell war ein Datum festgelegt, noch schneller die Route … Und dann ging es auch schon los … Ich fühlte mich, ja wie eigentlich? In Wahrheit war’s
mir völlig egal.
„Du musst noch an das Kettenspray denken“, hörte ich mich selber ermahnen … „Was ist mit Regenklamotten? Bist du dir sicher, dass du so und so fahren willst“ … Es ging hin und her, ich machte mich selber verrückt … dabei dachte ich an die Tour als Solches, Muffe hatte ich nicht … „Seht her, da traut
sich einer was!“
Hörte ich mich selber, sowie ein paar Kumpels sagen … „Hast du dir das auch gut überlegt? Ist schon eine lange Tour, auch bist du nicht mehr der“, den Rest wollte ich nicht hören … Natürlich zähle ich nicht zu den alternden Heinis, die mit ihrem Dickkopp immer wieder versuchten, die Zeit aufzuhalten.
Ich doch nicht!
Doch, so sah es aus, ich war nur immer noch zu eitel, um’s mir einzugestehen … Auf den Bock war ich schnell gesprungen … wie von einer fremden Macht geleitet trabte ich aus der Stadt, Richtung Autobahn … Zweifel kamen hoch … doch die Sonne schien frivol, die Straßen glänzten glatt, freundlich
und Hermes sah zu,
wie ich mich langsam Richtung Osten wand … bald schraubte ich mich immer schneller vorwärts, bis ich merkte, dass ich im gestreckten Galopp voranstürmte … erste Zwischenetappe, Narbonne … Nach und nach schoben sich Landschaften vorbei … zuerst Revèl, dessen Kirche, oder Kathedrale, wer kennt schon den Unterschied, sich links vorbeidrängte … Sie kam mir, erinnerte mich
an den Wal von Albi,
jene monströse Kathedrale, die mich an ‘nen riesigen Blau.- oder Buckelwal erinnert, dessen Glockenturm den Kopf des Wales wie eine Guillotine in die Zange nimmt … Man hält instinktiv die Luft an, wenn man in diesen obszön großen dunklen Backsteinbau hineinkriecht, als käme man von
Sodom und Gomorra.
Irgendwo rechts ahnte ich rechts den Kanal du Midi … Windböen machten mir zu schaffen, ich kam mir vor wie Käpten Ahab, der sich bei stürmischer See an der Reling festhielt … Hin und wieder pustete es so gewaltsam von der Seite, dass ich dachte, jetzt hebst du ab … Raubvögel kreisten über uns,
Geier waren es,
Gott sei Dank nicht … Autos zogen links und rechts an mir vorbei … Menschen mit ausdruckslosen Gesichtern, junge, mittlere und alte … stummes starren auf Smartphones, nur selten leuchten neugierige Augen aus Seitenfenstern … Zahllose Düfte fließen um meine Nase, Gräser, Gänseblümchen,
Löwenzahn,
dazwischen würziger Geruch von Harz schwitzender Kiefern … Gedanken an Jack Kerouac’s „On the road”, auf Reisen, unterwegs sein … zwischen a) und b) hängen, nicht erreichbar sein, kein Anschluss unter dieser Nummer … Irgendein Skipper raucht Pfeife an einer Schleuse, sieht mich
vorbeifliegen,
stellt sich die gleichen Fragen … Wozu die Hetze? Wem rennen wir eigentlich hinterher, unserem eigenen Leben, unserer Vergangenheit, versuchen wir auf irgendeinen imaginären Zug aufzuspringen, obwohl wir wissen, dass es kein Ankommen mit ihm gibt … Was treibt uns da von unserem
Selbst weg?
Altehrwürdige Platanen stehen Spalier, wünschen mir gute Reise … Nach einer Weile merke ich, dass ich langsamer geworden bin, mit 110 knattere ich an Wiesen und Wäldern vorbei … Abfahrt Limoux sehe ich vorbeischleichen, haben lecker Wein und Crémant da … weiter geht es, Lastwagen, schwere
LKW’s sehe ich kaum,
der Vorteil von Feiertagen … Carcassonne, alte Festung … wie die Krone eines Königs ragt sie spitz aus der flirrend heißen Erde des alten Karthago … längst bin ich im Flow … Hügel, Täler, Baumgruppen, Felsen, alte Schlösser … Schilder kündigen Weinregion Corbière … es geht immer
weiter und weiter.
Bald schnuppere ich es … Salzwasser, weit kann das Mittelmeer nicht mehr entfernt sein … nun teilt sich die Autobahn, rechts nach Barcelona, links nach Narbonne, Montpellier … weiter geht’s, Käpten Hook … sofort schlägt mir die Hitze des Südens entgegen, Gedanken an Sauna, an Klimawandel,
Friday for Future,
lerne später in Deutschland die Gegenbewegung kennen … Farmer for Future … langsam bekomme ich Durst und Hunger … tanken muss ich auch, der Rappen ist genauso durstig wie ich … irgendeine Raststätte, ich kann das Meer sehen, herrlich … flott getankt, ab in den Schatten … auf meine
hartgekochten Eier,
lass ich nichts kommen, hab sogar Salz und Pfeffer mit, welch Luxus, dazu Walnüsse und frisches kaltes Wasser … das Leben kann paradiesisch sein … haben 35 Grad, fühlt sich mollig, irgendwie gut an … ein Daimler-Kombi rollt langsam heran, was der wohl will … ah, daher weht der Wind … kommt
aus Deutschland,
genauer gesagt, aus Kassel … zieht ‘nen klobigen Anhänger hinter sich her … hoffentlich kommt er nicht, doch, genau das will er … „Hallo! Na? Wohin des Weges?“ … sehe ich etwa Deutsch aus, oder hat er einfach das Kennzeichen gesehen … „Nach Orange und du?“ … ich duz ihn, er sieht aus wie‘n
Kerl aus der IT-Branche.
„Wahr mit meiner Familie an der Costa Brava, hab sie vorfliegen lassen, fahre nach Kassel, werde wohl eine Pause machen, weiß aber nicht genau, ich könnte mir vorstellen, dass“ … er sprudelt wild drauf los, lässt es ungezügelt raus, alles, warum Spanien, wie alt seine Kinder sind, habe dazwischen
Gedanken an Odysseus.
Gab es nicht irgendeine Szene, die mit dem Schweinehirten, der den Hellenen volltextete … „So, dann werde ich mal weiterfahren, mach es gut“, versuche ich seinen Redefluss zu stoppen … stecke mir meine Ohrstopfen rein … „Tschüß, auf Wiedersehen“ … schon geht es wieder weiter,
habe weniger als 1h vor mir.
Gegen drei komme ich an … Großes Hallo mit den Freunden … Sie haben großartiges Essen vorbereitet, Bavette mit Grillgemüse und krossem Brot … dazu gibt es reichlich Wein, Ricard und vieles mehr, sogar Wasser trinke ich zwischendurch … Wir lassen es uns gut gehen … kurz vor Mitternacht
ist Zapfenstreich.
Dienstagmorgen. Um Punkt Acht rollt der Rappe weiter Richtung Norden … Lyon, steht jetzt auf den Schildern, heute muss ich tapfer sein, 850km bis zum Hotel … schon lass ich die Peitsche knallen, stramm galoppieren wir über die Piste, Tempo 140-150 habe gute Laune, bin frisch und munter, also
Feuer frei.
Wir sausen an der Rhône vorbei … mal rechts, mal links, was für ein fetter Strom … auch hier haben sie tolle Weine, anschnallen muss man sich, muss an dem steinigen Boden liegen, man kann richtig Pfeffer schmecken, manchmal … frisch, voller Düfte prasselt, stürmt die Luft gegen mich an, fühl mich
wie’ne Fahne im Wind.
Flatter-flatter-flatter … Irgendwann, endlich – Lyon und sein langer Mordor-Tunnel quer durch den Hintern der Stadt … es gibt Stau, tatsächlich, sogar reichlich, ich mach ‘ne dritte Spur auf, schön in der Mitte durch … ha-ha, so geht das, Abfahrt, sag ich euch … bald komme ich am Kopf der
Schlange raus.
Aus der A7 wird die A6, freie Bahn nach Dijon … fast sause ich an der Tankstelle vorbei, schnell vollgetankt, keine Pause und weiter geht’s … Nun will ich’s wissen, das wäre doch wohl gelacht, wenn man nicht unter 8h schafft … Konzentriert starre ich aufs unendliche Asphaltband … Hin und wieder
Gedanken an dies und jenes.
Herummäandern in der Vergangenheit, kappe die alten Zöpfe und Wirbelschleppen, will mich aufs Jetzt konzentrieren … Genau! Aufs Hier und JETZT! … Irgendwann saust Dijon vorbei, weiter geht’s nach Beaune und Nancy, die Landschaft wird flacher, die Luft frischer, trockener, es riecht nach Wald, vorbei ist es
mit dem Meer.
Lang zieht sich dieser Turn, meine Zeit steht still, bin mir da sicher, schau mal, die Zeit bewegt sich gar nicht, die Götter verarschen mich … Immer mehr Autos mit belgischen und deutschen Kennzeichen … dann liegt Metz mir zu Füßen scheint ne große Stadt zu sein, oder ist es Nancy? Wahnsinn.
Ich rolle weiter.
Richtung Luxemburg … Merke irgendwann, dass ich durch bin … muss tanken, entscheide mich, dass in Deutschland zu machen … bin dann plötzlich auf der A1, blaues Schild, mit EU-Sternen zur Rechten, willkommen in der Bundesrepublik Deutschland … Kaum in Vorwärts Teutonia, schon rast man
links und rechts
an mir vorbei, total crazy … halte an, will mich orientieren … Mist, muss von der Autobahn runter, sie ist irgendwo da vorne gesperrt … So eine Kacke! Und ich ohne Sprit, jetzt noch quer durch die Pampa, ich halt es nicht aus … Irgendwann fang ich an nachzurechnen … ein wenig geht noch.
Finde ne Tanke.
Schnell vollgemacht die Schüssel … Wie weit ist es noch bis Beilstein? Oha, doch noch eine Stunde. Jetzt merke ich meinen Hintern sehr deutlich … 1,5h schraube ich mich durch und über kleinste Eifelstraßen … endlos lang, vorbei an Maibäumen, mit Kränzen, Freiwilliger Feuerwehr, Schützenvereinen, an
Dorfkneipen
Schieferdächer mit Fachwerk … Manch ein Dorf scheint 50 Jahre in der Zeit hinterherzuhinken … schau mal, na endlich, Daun … „Sind bald da!“ spreche mir Mut zu fange an zu schielen, bei den ständigen Kurven und dem Fahren mit offenem Visier … dann erstrahlt sie in altem Glanz.
Reichsburg Cochem.
Ich schraube mich runter zur Mosel … Schon knattern wir an ihr entlang, noch fix eine Brücke, zur anderen Seite, eins, zwei, drei, vielleicht mehr, Kreisverkehre, dann leuchtet, steht es vor mir, Ortschild, Beilstein an der Mosel … Endlich angekommen. Ich parke meinen Gauel, steige hoch zur
Rezeption.
Bekomme Schlüssel, eine Rundführung, bedanke mich brav, höre nur halb hin, will unter die Dusche, was sonst, und schnell auf die Terrasse, mit einem Riesling … Gesagt getan, zick-zack, abgetrocknet, an.- und umgezogen, hallo? Ja, genau, einmal Lipmanns Hausmarke zum Aperitif … nee, essen
Möchte ich auch …
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