Easyrider – Odyssee 2025

Ein wenig fühlte ich mich wie Dennis Hopper, Jack Kerouac und Neal Cassidy … Alle zusammen, alles gleichzeitig … Ein letzter Kaffee bei meinem Bruder, dann ging es von Hamburg aus los … Wie zum Teufel kam ich auf die Idee, diese Tour zu machen? …. Ich wusste es nicht, wieder einmal hatte ich so richtig

… keine Ahnung.

Nur das es sein musste … Ein paar Zweifler wollten mich, wie immer, davon abbringen … Zuerst kamen sie mir mit den Strapazen … als die nicht langten, holten sie schwerere Geschütze … Voller Gefahren sei dieser Roadmovie und so … „schau dir doch mal nur die Route an“ … wo ich denn schon wieder diese bescheuerte

Schnapsidee herkam.

„Junge, die könntest den Zug nehmen“ … meinte mein Vater … „noch dazu diese Hitze, die wir gerade haben, muss das denn ausgerechnet jetzt sein?“ … zweifelte meine Frau Mutter … Zwar blieb ich höflich und liebevoll mit meinen Zweiflern, ließ mich aber keinen Deut davon abbringen … Auch dann nicht, als man

Totschlagargumente

auffuhr … wie konnte es auch anders sein … geduldig, richtig neugierig wartete ich darauf, wer, wann wohl die unnachahmliche rhetorische Massenvernichtungswaffe auffahren dürfte … Starkregen, Hitze, Mühsal, Anstrengungen, Gefahren, fehlte nur noch eins … dann endlich, eine jüngere Freundin kam mir dann – genau –

… mit dem ALTER.

Ob so ein Motorrad „Noch“ angebracht wäre … noch lange hallte dies Wort in meinem Kopf nach … gleich einer kosmischen Flipperkugel … NOCH … großartig dachte ich, „wo ich diese absurde spätpubertäre Idee herhätte … wer mir diesen Floh ins Ohr gesetzt, ob icheventuell, wie viele in meinem ALTER

… eine Midlifecrisis hätte.

Es nahm einfach kein Ende … Irgendwann verstummte auch der letzte Zweifler … Sie gaben auf, erkannten ihre eher widerwillig Niederlage an … Mein Plan klang, so fand ich, ziemlich einfach … In zwei Tagen wollte ich nach Toulouse runterfahren, den Bärenteil am Zweiten wuppen … Unten links im

drei-Länder-Eck

hatte ich mir vorgenommen zu übernachten … so geschah es … Ein Hotel in Freiburg gönnte ich mir, doch bis dahin musste ich 750km abspulen, so der Plan … Nach dem Kaffee bei meinem Bruder ging es sofort los … Doch kaum rollte ich zufrieden auf die A1 bei Stapelfeld, sollte es schon den ersten

Stau

vor der Elbbrücke geben … Ein dauerhaft geparkter Blitz-Anhänger ließ den Verkehr offensichtich jeden Tag zum Erliegen kommen … Überhaupt: Wo kamen die vielen Autos, LKW’s und Transporter her? Unglaublich voll kam mir die Autobahn vor … Um ordnungsgemäß zwischen den Autos hindurchzufahren nutzte

ich die Notfallgasse.

Und oh Wunder: Niemand hupte, oder beschwerte sich … Welch schöne Überraschung, dachte ich so bei mir, nicht wenige machten mir sogar extra viel Platz … Wurden wir Deutschen etwa wieder solidarisch? War das möglich? Rissen wir doch unseren eingestaubten Horizont entzwei, zerschlugen, schnitten ihn in 1000 Teile,

wie Vincent van Gough sein Ohr?

Kilometer um Kilometer rollte unter mir hindurch, spulte, wickelte sich ab, auf jenem unendlich langen schwarzen Band, dass mich von mir aus bis in die Sterne schicken konnte … so wie meine Gedanken, die wie ein Dutzend wildgewordener Katzen herumbalgten, ohne hinterher auch nur einen Funken

schlauer zu sein.

Erinnerungen an Bundeswehr im Weserbergland, sprangen wild assoziierend Pate, als wir an der Raststätte Wildeshausen vorbeiflogen … mein Milleniumfalke fühlte sich voll gut an … wenn man mit ihm flott durch den Weltraum schwebt ist er in seinem Element … Natürlich durften weitere Baustellen in der

Lüneburger Heide

nicht fehlen, um Baals Willen … Erinnerungen an mein erstes Moped, eine Yamaha 550 … Wie oft hatte mich der lauwarme Regen im schönen Weserbergland bis auf die Knochen durchgeregnet … Hoffentlich würde mir das zumindest diesmal erspart bleiben, legte ich meine Stirn in borkige

Sorgenfalten.

Erster Tankstopp … Ein kleiner Schluck Wasser, ein paar Nüsse gefuttert und weiter gings im galoppierenden Tiefflug … Großartig, wie ruhig der Hocker liegt, man kann bequem mit einer Hand fahren, kommt einem so ganz und gar natürlich vor … Jene geheimnisvolle neue A49 hinter Kassel machte mich neugierig. Über sie

flog ich hinweg,

dass ich sie kaum bemerkte … Vor Frankfurt kamen wir raus, umschifften die Metropolregion, weiter ging es Richtung Karlsruhe … Lustiger Name, Karl seine Ruhe … Doch was war denn das? Mittlerweile zeigte das Thermometer 30 Grad an … Sieh einer an … Nach einem weiteren

Tankstopp

flog ich an Baden-Baden und Schwarzwald vorbei … Dann endlich, gegen 16:30 landete ich in Freiburg … Hotel Hirschen, hieß meine Unterkunft … Schnell merkte ich, welche Klientel man hier hautptsächlich und am Liebsten willkommen hieß … Fix den Zimmerschlüssel empfangen,

unter die Dusche

und gleich direkt in den schönen Garten, zum Abendessen … Auch um 19:30 schlugen noch stramme sommerliche 30 Grad den Takt … „Möchten Sie schon etwas?“ … wollte, musste ich, unbedingt … „Campari-Spritz, bitte“ … stand zwar nicht in der Karte, aber … „Sehr gerne!“ … was sieht gut aus?

neugierige Blicke in die Karte.

Viele Klassiker … „nee, heute was Kühles, wie wär es mit’m Tartar?“ … es las sich gut, sogar Ei kündigte man an, und ein krosses Knoblauchbrot … knackige 39€ sollte der Spaß kosten … dazu ließ ich mir einen roten Badener bringen … An meinem Aperetiv fing ich gerade an zu nippen, als mein

Tartar angeflogen kam.

Effizienz, eines von den aller-nervigsten Dingen, wenn es um Essen und Trinken geht … bin ja eher so ein Slow-Food und Slow-Life Typ … Eigentlich unerhört, in so einem teuren Laden nicht zumindest ein wenig zu warten, damit der Gast auch das passende Getränk zum Gericht im Glas hat … Als ich dann diesen

Fleischpudding sah,

den man durch den Fleischwolf gedreht hatte, noch dazu das Viertel hart gekochte Ei, dass von einer hauchdünnen Scheibe krossem Baguette beschützt, nicht begleitet wurde, fing ich an mir Sorgen um Deutschland zu machen … Als dann der Küchenchef herumging, war das DIE Steilvorlage.

„Guten Abend,

wenn Sie Ihr Tartar so über den Rhein bringen und es unter diesem Namen einem Franzosen servieren, dann wird er entweder sofort nach dem Gendarm rufen, sich schmerzhaft an 1940 und die vierte Republik, dem Vichy-Regime erinnert fühlen, oder im Brausebrand aus dem nächstbesten Museum eine funktionierende

Guillotine holen“

gab ich zum Besten … Verschmitzt lächelte der 40jährige Vollbart, dessen neugierigen Augen erfreut leuchteten … „da Sie aber vermutlich sehr gut wissen, wie das ideale Tartar aussehen könnte, ist meine Vermutung, dass“ … nun ließ er sich nicht zwei Mal bitten … „sie vermuten ganz richtig, auch wir sind bemüht, den

Großteil unsere Gäste

zufrieden zu stellen; so wie sie das Gericht heute vorfanden, kommt es bei unseren Gästen am Besten an“ … gab er zwinkernd zum Besten … Natürlich ist gerade nicht die beste Zeit, um über Lebenskultur zu philosophieren, man denke an Kriege, autokratische Politiker und ihr Gebaren … dennoch muss ich ein Worte hierzu, nicht nur aus

Nähe zu Schloss Sigmaringen

und Marschall Pétain zum Allerbesten geben … Es scheint mir auch heut noch so, dass wir Deutschen zwar nach 1945 mit unserem weltberühmten Wirtschaftswunder wieder mal Geschichte schrieben, dass es uns bis heute aber scheinbar nicht ganz gelungen ist, unsere Lebenskultur wieder genauso leidenschaftlich zu

RE-KULTIVIEREN

Wie wir das mit unseren Autos, E-Bikes, den Ansammlungen von Maschinen, unseren Bastelkellern und Garagen, sowie unseren angeblich so bekannten Deutschen Tugenden wie Pünktlichkeit, Qualitätsbewusstsein und Wertschöpfung, mit Effizienz als Mantra tun … in Momenten wie diesen wird es mir nicht nur ganz offenbar,

sondern mehr noch,

es ist eine Sache, die völlig einkommensunabhängig seinen Lauf nimmt, wenn man seinen eigenen Geschmack wenig geschult und verschiedenen Gerichten ausgesetzt hat, nicht nur, um darüber zu dozieren, zu schwadronieren, wie ich jetzt gerade, sondern, um selber Spaß am Kochen zu entwickeln, nebst

kulinarischer Bildung,

die man doch, so hoffe ich, als Nebeneffekt willkommen heißt … Strahlender Sonnenschein am nächsten Morgen … Pünktlich um 9 Uhr morgens lege ich mit meinem Stratogleiter ab … Gleich wieder auf die A5, diesmal Richtung Mühlhausen … Einmal vollgetankt, schon geht es rauf auf die A36

Richtung Dijon.

Unsere ersten 300km spulen wir locker ab … Meinen schmerzenden Hintern, von den vorigen 1000km ein wenig zu vieldurchgeknetet, schiebe ich abwechselnd von links nach rechts, als würde ich wieder wie früher Hanging-Over fahren … wenig Verkehr und bestes Wetter geben uns

ordentlich Rückenwind.

Nächster Tankstopp A6 Richtung Lyon … wieder nur Wasser trinken und Nüsse knabbern, schon geht’s weiter … Irgendwann geht es rechts ab auf die A89, Richtung Clermont-Ferrand, wärmer ist es auch geworden, längst sind die Temperaturen auf 34 Grad hochgeklettert … Ein weiterer

Tankstopp,

diesmal mit Verschnaufpause im Schatten von alten Platanen … zum ersten Mal fängt die Reststrecke mit einer drei vorne an, sieht und klingt irgendwie angenehm … der viele Wald in der Vulkangegend spendet angenehme Luft und Temperaturen … Als ich auf die A20 Richtung Toulouse abbiege

kommt die Hitzekeule

von Okzitanien … was für ein Backofen … in nur wenigen Kilometern klettern die Temperaturen auf 36, um sich auf 38 dauerhaft einzupendeln … erst ab 150 fängt der Wind wieder an zu kühlen … davor ist alles ein riesenhafter Fön, den mir die Götter entgegenhalten … Fragmente, Splitter, Bilder,

versprengte Erinnerungen

vom Siebenschläfer 1994, als es tatsächlich sieben Wochen lang Temperaturen von 35 Grad und mehr in Schleswig-Holstein gab … und ich auf dem Truppenübungsplatz Putlos … In Südfrankreich sind während einer ähnlichen Hitzewelle 2003 über 20.000 Menschen gestorben … bin kein Fachmann, was Klimawandel angeht,

im Gegenteil.

Seit vielen Jahren ist es in Toulouse unverändert warm … Jeden Sommer gibt es dutzende Wochen, in dem man über 35 Grad hat … Neu ist das alles nicht … wenn man genug trinkt und seinen Lebensrhythmus anpasst, haut das schon hin, denke ich mir, während ich die letzten Kilometer auf der …

A62 Richtung Toulouse

Runterspule … Nach 9,5h komme ich am Ziel an … Will meine Freundin „überraschen“, frage beim letzten Tankstopp nach, was ihre Pläne für den Abend sind und reserviere einen Tisch in einem kleinen Bistro bei uns um die Ecke … Verdient hätten wir es beide, so meine Argumentationskette … aber auch, um die traumatischen

Erinnerungen

an eines der teuersten und schlechtesten Tartars der Welt schnellstmöglich zu verdrängen … natürlich bestelle ich mir genau so eines … und die Götter sahen, dass dies Tartar von kundiger Hand zubereitet wurde, händisch geschnitten, mit einem rohen Eigelb, sowie Allem was dazugehört

Prost, Santé, zum Wohl …

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