Freunde wollten sich auf dem Rathausmarkt in Hamburg treffen … Keine Ahnung wie lange, aber es muss bestimmt, lasst mich mal überlegen, auf jeden Fall ein paar Jahre her sein, dass ich den Weihnachtsmarkt dort besucht hatte … Sämtliche Erinnerungen fühlten sich so ähnlich an, wie …
… ganz weit weg.
Ein Kumpel lieh mir sein Auto … Überraschenderweise bekam ich flott einen Parkplatz in der Nähe beim Steigenberger Hotel … Da wurde mir wieder mal bewusst, was für teure Schlitten auf Hamburger Straßen herumrollen … Edel und vornehme geht es in der Innenstadt ja eh zu und doch, ganz ehrlich
… hielt ich den Atem an.
Alles glänzte auffallend edel und teuer … Hin und wieder blieb ich stehen, sah auf Speisekarten und die Preise für Hotelzimmer … Wahnsinn, wie teuer alles ist, dachte ich … Wer soll das alles bezahlen, fragte ich laut in die Hamburger Abendluft und sah in die vielen Hotels und Restaurants.
Alle voll.
In den Fußgängerzonen hörte ich alle möglichen Sprachen … Viel Englisch, aber auch Spanisch, Italienisch und Französisch … Sogar Chinesisch und Japanisch, wenngleich ich zugegeben muss, dass ich mir nicht zutrauen würde, die auseinanderhalten zu können … Wow! Wann ist Hamburg eine solch beeindruckende …
Touristenstadt geworden?
Vermutlich schon länger, nur hab ich es nicht mitbekommen … Je dichter ich dem Rathausmarkt kam, nahm die Anzahl der Bettler zu … Irgendwann stand ich vorm Bucerius Kunstforum, vor mir ausgebreitet, der Rathausmarkt … Was für ein Lichtermeer, dazu riesenhafte Weihnachtsbäume …
als wär man in den USA.
Menschenmeere tummelten sich zwischen den Ständen … Glühweinselige grölten Lieder, Frauen redeten und kreischten um die Wette … Plötzlich knallte und zischte es, wie bei Feuerwerk … Gleißende Strahler brannten weißes Licht in den Abendhimmel … Keine Ahnung woher das Wort kam, aber sie erinnerten mich stark an …
Flakscheinwerfer.
Lauter Jubel brandete auf … Plötzlich sah auch ich das Seil, dass man in luftiger Höhe aufgespannt hatte … Jetzt kapierte ich auch den Grund für die hysterische Freude … Ein Weihnachtsmann mit stolzem weißen Rauschebart lächelte ins Scheinwerferlicht … Er saß auf einer Art Plüsch-Schlitten … Gezogen von vier Plüsch-Rentieren …
Phrenetisches Klatschen der Menge.
Langsam sah ich mich um … Kannte ich jemanden? … Bis jetzt jedenfalls nicht … Sichtlich überwältigt vom Spektakel ging ich andächtig über den Weihnachtsmarkt … Wie in Zeitlupe sog ich Eindrücke ein … Geschminkte Frauen, mit Lippenstift an Zigarettenfiltern … Bunte Mützen gegen Kälte … Glühwein für die Stimmung.
Mit und ohne Schuss.
Es gab alles Mögliche … Schals, Honig, Lederwaren und jede Menge Fress.- und Saufbuden … Ketchup von Currywürsten kleckerte auf Leder.- und Daunenjacken … Schwere Stiefel bei Männern und Frauen … Auch hier, das Gleiche wie zuvor beim Steigenberger … Alle Stimmen der Welt quollen, eruptierten, sprudelten …
um mich rum …
Dazu Mutzenmandeln, Glühwein, und Unmengen anderer Spezialitäten … Nach einer Weile schlug ich einen anderen Weg ein … Zumindest einmal wollte ich außen herum gehen … Was für eine brodelnde Menge … Immer mehr Menschen strömten, eilten herbei … Ausnahmsweise hatte ich mein Handy …
… auf laut gestellt.
Im Minutenrhythmus klingelte es … Ding-Ding-Ding … Eintrudelnde Nachrichten, vermutlich meine Freunde … In sicherer Distanz sah ich mir das Ganze an, passenderweise stand ich beim Denkmal für die Gefallenen beider Weltkriege … Hinter mir spürte ich die kalte Luft der Elbe, vor mir das …
Zuckende Glitzermeer.
Nein! Ganz und gar nicht! … Was ich sah gefiel mir nicht … Alles war mir zu doll … In jeder Dekoration, Verzierung, in den Kleidungsstücken der Menschen … dieser Weihnachtsheini auf seinem Drahtseil, mit seinem Plüsch-Sclitten und seinen riesenhaften Stofftieren … die schillernden Buden, als wäre man auf der Reeperbahn … diese riesenhaften …
mit Lampen
vollgekleisterten Weihnachtsbäume … sogar die schweren Stiefel der Besucher, ließen mich an Wehrmacht denken … weswegen Markennamen wie Prada und Dolce & Gabbana mich irritierten, die auf diesem martialisch wirkenden Schuhwerk thronten … Überall Herrscher-Style, auch Mäntel kamen daher, als hätten die Romanows sie an …
Hamburg verliehen.
Ding-Ding-Ding … Jetzt klingelte es sogar … Man rief mich an … Einmal, zweimal … Und noch mal, längst war ich gestresst … Wirklich alles wirkte unfassbar trashig auf mich … Überall, so weit mein Auge reichte, nichts als Kitsch … Plötzlich hielt mir jemand eine Art Klingelbeutel vor die Nase …
„Eine Spende, bitte!“
Betreten sah ich zu Boden, schüttelte wortlos den Kopf und ergriff die Flucht … Gehetzt rannte ich durch die Straßen, zurück zum Auto … Als wäre der Leibhaftige hinter mir her … Meine aufgerissenen Augen taten ihr Übriges, das Passanten mich ansahen, als hätte ich jemanden bestohlen, oder mit irgendetwas betrogen.
Nachdenklich fuhr ich nach Hause.
Dort angekommen schrieb ich weder eine Nachricht, noch rief ich zurück … Zuerst einmal war ich bedient … Ich schnappte mir mein neues Buch über Daoismus, die Kunst der Bedürfnislosigkeit und fragte mich, wann ich vor Kapitalismus & Konsum flüchte und ganz davonlaufe …
Mal sehen was 2025 bringt …