Schulden – Odyssee 2024

Geschlossen, mit Ketten verrammelt … sowas hatte es noch nie gegeben … unser öffentlicher Park geschlossen? … Im Hintergrund sah ich feudale Wasserfontänen ungebremst ihre munteren Ladungen hochejakulieren … Es musste ein Irrtum, ein Aprilscherz, eine Fata Morgana sein …

… anders ging es nicht.

Nein wirklich. Unmöglich. Noch mal und noch mal rüttelte ich am Tor … lautes Scheppern der schweren Kette … sie wollte sich nicht in Luft auflösen … Passanten schauten neugierig, manche irritiert herüber, was für ein Patient die andächtige Mittagsruhe mit diesem Krach störte …

Nix zu machen.

Noch einmal las ich alle Schilder und Bekanntmachungen durch … wann der Park geöffnet, wann er wieder geschlossen … Sommer, Herbst, Winter, rauf und runter … von geschlossenen Mittwochen stand da nichts … Vielleicht waren es erste Sparmaßnahmen der Fünften Republik …

…so meine ersten Gedanken.

Oder eine Boshaftigkeit der Verwaltung unseres Viertels … vielleicht des Bürgermeisters / Mairie kam mir als nächster Gedanke … war‘s möglich, dass man noch weiter oben … eventuell die Präfektur selbst beschlossen hatte … oder die Region Okzitanien, oder direkt Paris, gar …

… Michel Barnier …

möglicherweise? Der Prémier-Minister himself? … Vielleicht sogar Präsident Emanuel Macron? Nur langsam beruhigten sich meine Nerven … Endlich nahm Väterchen Vernunft wieder die Zügel fest in seine Hände, bremste den schwarzen Rappen gekonnt ein … bald trabte er wieder brav neben dem Schimmel her.

Was war hier los?

Auf ‘ne Bank setzen, schön in der Sonne im Park, zur besten Mittagszeit, wenn alle arbeiten, hektisch ihre Mittagessen durch Kopf und Gebeine schoben … für’s Erste fiel das aus … Mist! Na gut, dachte ich … irgendwas anderes wird sich anderweitig finden lassen …

… so flanierte ich …

runter zur Garonne … Immer noch in Gedanken beim verschlossenen Park vor meiner Haustür. Vermissen tun wir ja immer nur Dinge, die wir plötzlich nicht mehr haben, murmelte ich vor mich hin … mit Gesundheit ist es Ähnlich … mit Freiheit vermutlich genauso …

… auch mit dem Leben.

Nur können wir hinterher keinem mehr Recht geben … Irgendwie blöd, aber was will man machen, das Leben ist auch nicht mehr das, was es mal war … Auf meinem Weg zum Fluss sprang mir ein Café vor die Füße … Vorbeigehen? Unmöglich … Im Zeitungsladen davor kaufte ich …

… drei Zeitungen.

Ah! Herrlich … Sonne, mit Café … Mein Ärger über den verrammelten Park? … Längst verflogen … Munter begann ich in Zeitungen zu blättern … Taz, Zeit und LeMonde-Diplomatique … Wirtschaftsteile interessieren mich normalerweise nicht so sehr, eher Feuilleton … erst seit Kurzem … seit Kumpel F.

mich neugierig gemacht hat …

und seit Staaten während Corona hohe ungeplante Ausgaben hatten … man denke an die hohen Kosten für Impfungen und so weiter … seitdem herrscht bei vielen Staats-Haushalten, nebst öffentlichen Brieftaschen … noch mehr Ebbe, als zuvor.

Ich raschelte mit Zeitungsseiten …

viele Artikel handeln davon … heißes Thema zur aktuellen Stunde … ausgerechnet Deutschland und Frankreich schwächeln wirtschaftlich … endlich hat man was gemeinsam, dachte ich … angeblich sind die Staatsausgaben in La France sogar von 55 auf 57% angestiegen …

Ganz beachtlich.

Doch Rettung naht … längst hätte man Maßnahmen identifiziert, stand da geschrieben … Sieh an! Wacker wacker … Man wolle Reiche mehr zur Kasse bitten … fand ich nachvollziehbar … alle mit über 250.000€ Jahreseinkommen … es kam noch mehr … ich las weiter und weiter …

Rentenerhöhungen verschieben …

… mehr als 4000 Lehrer einsparen … ich blickte auf, legte die Zeitung beiseite … verstohlen blinzelte ich in die Sonne, sah mich verwirrt, hilfesuchend um … doch ich fand niemand da draußen, der erwiderte, hörte meinen tonlosen Schrei der Verzweiflung … Lehrerstellen streichen? Wie bitte?

… hab ich das richtig?

Ich las‘ noch mal, so wie die Schilder vom Park, sicher ist sicher … da stand es, schwarz auf weiß … mehr als 4000 Lehrer, hallte es nach … wie die lederbezogenen Holzkugeln beim Jaialai donnerten Zahlen und Worte in meinem Kopf herum … Schon heute hatten Klassen mehr 30 Schüler …

Lehrer können sich kaum …

… noch durchsetzen, höre ich seit Jahren … egal in welchem Land … in Deutschland war’s nicht anders … die gleichen Worte verorte ich in meinem Gedächtnispalast, seit meine Cousine und ihr Mann Thomas … genau, der die Treppe runterfiel … mir Gleiches erzählten, seit sie am …

Gymnasium von Bad Segeberg …

Ähnliches zu meistern hatten … merkwürdig, bei 57% Staatsausgaben wählt man ausgerechnet das aus, was das Wertvollste ist … heranwachsende Bürger … Krankenhäusern und Altenheimen … warum sparen wir immer zuerst beim Menschen … bei uns selbst?

Militärausgaben hingegen …

keine große Überraschung, bleiben unangetastet … ich wechselte das Medium … auf Instagram und LinkedIn ging es munter weiter … Jeder wusste alles, vor Allem besser … hier kann man sämtliche Ratschläge ehemaliger deutscher CEO’s nachlesen … von Wolfgang Grupp, Jo Kaeser bis Tom Enders … kein Auge bleibt da trocken …

… Friedrich Merz …

Fehlt natürlich nie bis nirgends … gerne sprechen weise weiße Ex-Manager vom „Kranken Mann Deutschlands“ … von fehlendem Mut der Regierungen … Man müsse jetzt aber endlich mal durchzugreifen … kräftig investieren … Alles muss man nach deren Meinung … Stark, heftig und intensiv tun … besonders heftig investieren …

… am besten in Läden …

in denen man selbst im Aufsichtsrat sitzt? … Klingt irgendwie nach … Interessenkonflikt. Aber warum nicht, ist ja heute Gang und Gebe … ohne gleich immer an Russland, Italien, Ungarn, China, Nordkorea, Iran, Irak und die USA zu denken … Mittlerweile hatten wir Nachmittag, guter Moment für‘n frisch gezapftes Bier …

nach‘m ersten Schluck …

blätterte ich im Artikel von … Navid Kermani … Wie er einmal Ajatollah Chomeini in Paris begegnete … er beschreibt interessant und vielschichtig, wie wertvoll 75 Jahre Freiheit in Westdeutschland gewesen sind … wie kommod das Leben war, immer noch ist, weswegen er zum Schluss kommt, dass ein Mangel an selbsterlebten Krisen …

… in aller Konsequenz …

ein Mangel an Dichte und Selbsterkenntnis in deutschsprachiger Gegenwartsliteratur herrschen müsse … höflich formuliert er genau das, was heute überall zu beobachten ist … die völlige Abwesenheit von Verantwortungsübernahme und Authentizität … alles ist frei Risiko, Gefahren und Abenteuern.

Wenn Letztere …

darin bestehen, Parkplätze für elektrische SUV‘s in Stadtzentren zu finden, während man im Stau stehend vollklimatisiert in die zu heiße Innenstadt schleicht … wenn maximaler Komfort lebendiges Leben erstickt, dann treffen wir wohl auch … genau solche Entscheidungen … Nach Rom und Byzanz …

endlich wieder großer Zapfenstreich …

Schön, dass wir Menschen, im Gegensatz zur Realität, immer meinen den Eindruck zu haben, alles richtig zu machen, bei unserer gleichzeitig niedrigen Lernkurve … vergleicht spaßeshalber nur mal die Menschliche mit der Industriellen Revolution / Evolution …

In anderen Worten …

anstelle unser Verhalten zu ändern, um Prozesse gesellschaftlicher Erosion aufzuhalten, von den Klimatischen möchte ich gar nicht erst anfangen … anstelle uns zu ändern, um aus Vergangenem zu  lernen, beschleunigen wir ihn … nothing new under the sun … wie schon immer, zu allen Zeiten … Ave Cäsar …

die Totgeweihten grüßen dich.

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