Es gibt ein Loch in meiner Welt … War es mangelnde Vorstellungskraft, oder lediglich, keine Ahnung, jedenfalls ist es da … Klar kenne ich nicht ganz Deutschland, obwohl ich da aufgezogen worden bin, geschweige La France, Spanien, Italien, Hellas … Tausende unbekannte Ecken … Dafür langt ein
Leben nicht,
um alles zu erkunden … Mein Loch heißt „Marseille“ … Und es stört mich, nicht so sehr, weil mich Unwissenheit ängstigt, eher so, als würde man etwas nicht kennen, dass gut zu einem passen könnte, dass einem unwissenderweise etwas gefällt, warum auch immer … Mit meinem geliebten Hellas war es so, Liebe auf den
ersten Blick.
Ich begann zu lesen, zu recherchieren, meine Neugier wuchs … Irgendwann war es so weit, meine Neugier kannte kein Halten mehr, sie musste raus, musste sich einen Weg bahnen … So geschah es und die Götter sahen, dass es gut war … An diesem Wochenende ging es dann tatsächlich nach
Marseille.
Griechen haben die Stadt vor über 2500 Jahren gegründet … So war für mich klar, dass ich im Ältesten Stadtviertel nach den Spuren der alten Griechen suchen musste, dessen ursprünglicher Name Μασσαλία (Massalia – Betonung auf das I am Ende) war … Ich fand ein bezahlbares Hotel, mitten im
Alten Hafen.
Ankunft Samstag nachmittag, Nieselregen, ein wenig Sonne … „Perfekter Halt, Dank 3-Wetter-Taft“ ging mir die alte Werbung durch den Kopf, ich musste grinsen … Mein U-Boot tauchte in einen ewig langen Tunnel, mitten in der Stadt und irgendwann wieder auf, Ausgang „Vieux Port“ alter Hafen …
Direkt am Wasser.
Überall Masten, eine unübersehbare Menge Segelschiffe, Yachten … Wow! Was für eine beeindruckende Stimmung, Häuserfassaden, die an Italien, Spanien und natürlich Athen, Hellas denken lassen … Eine faszinierende mediterrane eigene Mischung, keine Spur Französisch … Tatsächlich, kaum taucht man
in die Menge ein,
lächle ich breiter und breiter … Alles ist, passiert und lebt hier etwas leichter … Jener ewiglange Tunnel und die zuvor schlängelnde Anfahrt, vorbei am neuen Hafen, lassen einen vergessen, das die Metropol-Region Marseille die zweitgrößte Frankreichs ist … Beim Flanieren am alten Hafen
Merkt man’s:
Füßgängerwege, Straßen, Häuser, alles äußerst großzügig angelegt … Handel ließ schon in der Antike Geld reichlich fließen … Heute natürlich mindestens wie damals … Obwohl das älteste Viertel „Le Panier“ mir schon irgendwie vorkommt wie ‘ne Mischung aus Athen-Exarchia, Hamburg Ottensen und
St.Cyprienne Toulouse,
kommt genauso eine Art „Dorf-Feeling“ auf, als wäre man in Eimsbüttel, Les Carmes, oder Plaka … Dass man hier jedoch am Mittelmeer ist, merkt man spätestens beim Gang zum Wasser, wenn man im Schatten der gewaltigen Kathedrale Major steht … Dann spätestens ist klar: Man ist in Marseille, nicht in Tarbes, Toulouse
oder Bordeaux.
Überhaupt, die Menge an beeindruckenden Kirchen … Imposanten Bauwerken, alles durchmischt mit Hügeln und Bergen, lassen mich immer wieder an Athen denken, spätestens, als ich oben auf der Aussichtsplattform von Notre Dame à la Garde stehe … Weniger Weiß als an der Ägäis, aber sonst
Viele Ähnlichkeiten.
Im Viertel „Le Panier“ der gleiche Graffiti-Wildwuchs wie im Schanzenviertel und in Exarchia … Überall kleine Künstler-Atéliers, sogar Tavernen, sieh einer an … Es fällt keinem auf, der noch nie in Hellas war … Mich springen hier 1000 Dinge an, als hätte ich sie schon mal gesehen, in abgeänderter oder
Gleicher Form und Art.
Als dann ab 11:00 Uhr die Sonne die Wolken vertreibt, ist es um mich geschehen … Es ist warm, eine leichte Brise lässt schon ein erstes Sommerfeeling aufkommen, was ein Wahnsinn … Wie viele Menschen auf der Straße sind … Alle Cafés rappelvoll … Ganz Marseille scheint vorm Essen
zu Flanieren.
Mahnungen von Bekannten und Freunden poppen hoch … „Dort ist es gefährlicher als in Toulouse“ ganz oft kam auch „Marseille ist dreckig“ … Hinweise wie „Diebstahl, Gewalt, Schießereien sind an der Tagesordnung“ … Sprache und Menschen offensiver und aggressiver, „ein raues Klima herrscht dort“ … am meisten
Gefällt mir die Warnung,
dass die Menschen dort aufsässig sind … Herrlich, jene Anekdote, warum die heutige Nationalhymne der Franzosen die „Marseillese“ ist … Während der französischen Revolution haben die aufrührerischen Marseiller die Aufständischen in Paris unterstützt und jenes Lied in den Gassen der …
dekadenten Hauptstadt
laut tönend gesungen haben … Hut ab. Sollte diese Geschichte stimmen, können sich die Marseiller zu Recht täglich an den Hosenträgern ziehen … Nicht nur wegen dem besseren Wetter, Futter und Wein, sondern auch eine, offensichtliche lockerere Lebensweise, die weniger steif und elitär
daherkommt.
Wie dem auch sei … Stand heute, Sonntag-Nachmittag neunter Februar 2025, gefällt mir Marseille ziemlich gut … Eine großartige Mischung aus Athen, Toulouse und irgendwas Unbekanntes, was vermutlich der Côte d’Azur zuzuschreiben ist … Heute und morgen werden meine neugierigen
Beobachtungen weitergehen.
Dienstag geht es wieder zurück nach Toulouse … Keine Ahnung, was sonst gerade in der Welt los ist, wer mit wem Krieg, oder Frieden hat … Hier in Zentral-Europa, geht das Leben unverändert wie eh und je weiter … Hoffentlich ist uns der glückliche Umstand bewusst, bevor er, durch was auch immer
Gefährdet wird …