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Konvertierung – Odyssee 2022 CW06

06.Februar – Das is’ne dicke Krise, sag ich euch! Natürlich spreche ich von der Kirche, genauer gesagt von der Römisch-Katholischen. Jede Woche wächst deren dunkler Schatten, man darf sich zu Recht fragen, wieviel Licht in Zukunft übrig bleibt. Früher hat die Inquisition Hexen und Ketzer auf Scheiterhaufen verbrannt – heute unterschlagen sie uns, der immer noch christlich gläubigen Öffentlichkeit – aus Reue vermutlich, die völlige transparente Berichterstattung über

ihre schmutzigen Fehltritte.

Mit Werten wie Wahrheit und Gerechtigkeit kann man sich flott an diesem Thema abarbeiten. Wenn man sich dazu die Vergangenheit von Avignon als Papstresidenz auf der Zunge zergehen lässt, mit den dazugehörigen bald hundert jährigen Machtkampf der Kardinäle und ihrer tollkühnen Doppel-Päpste, dann kann man als kritischer Bürger, welcher Nation man in Europa auch immer anhängig ist, schnell den Eindruck bekommen, dass es um Macht und Ansehen geht und nicht so sehr um die Ausübung einer Religion. Es lohnt sich jedenfalls, wie ich finde, daran zu denken, wenn man, die nächste, hoffentlich gewaltfreie

Oblate in den Mund gesteckt bekommt.

All diese Aufregung, um ein paar tausend misshandelter Knaben, also wirklich; ist doch keiner gestorben von denen; was aber ist mit den vielen Frauen im Orient, im Nahen Osten? Hat man da nicht noch die Todesstrafe, inklusive Steinigung und so? Sind Frauen dort eventuell trotzdem glücklicher als Christen das wahrhaben wollen? Auch den Sklaven im alten Griechenland sagte man ein hohes Maß an Stolz nach – angeblich ging es den meisten ganz anständig. Es wird weiterhin schwierig bleiben, Zeitzeugen zu befragen. Soviel steht glaube ich fest: Anderen Menschen eigene Kulturen aufzuzwingen, dürfte zu allen

Menschenzeiten nichts Faires gewesen sein.

Wenn ich mir diese ganze Vergangenheits-Soße reinziehe, noch dazu die heute aufgewendete Energie in Sachen Gleichberechtigung, dass wir Frauen-Quoten für Damen in Führungspositionen erwägen, vielleicht in Grundgesetze gießen, dann sollten wir parallel eine wirksame Gegenbewegung lostreten. So wie damals der Konter-Papst in Avignon, könnte ein weiblicher Ajatollah in Paris sitzen, quasi als Konter-Islam, zum traditionellem Islam,

wär das nichts?

Lasst uns über einen Rollentausch nachdenken und ihn mit dem klassischen Modell vergleichen. Wir könnten eine Mischung aus Beidem haben – versuchsweise. Klassisch islamische Paare, die wir bei der Familiengründung begleiten und das dazugehörige Gegenmodell. Und nach ein paar Jahren setzen wir uns wieder zusammen. Auch die knappen 700 Jahre Vorsprung der Christen sind unfair. Wenn alle Christen Mohammedaner wären, gäbe es keine Konflikte mehr zwischen

Christen und Islamisten.

Da die christliche Kirche gerade in einer fetten Krise steckt, über Jahrhunderte, bis in die heutige Zeit sich geheime, dafür 100%ig physisch-reale gay-porn-mäßige Sexringe gehalten hat, inklusive passiver und aktiver Vertuschungsarbeit hoher Amt- und Würdenträger, bis hinauf zum emeritierten lieben Papst Joseph Ratzinger, wenn man die Berichterstattung der Wochenzeitung „Die Zeit“ mitverfolgt, dann erscheint es ein günstiger Moment zu sein,

ein neues Zeitalter des Islam einzuläuten.

Und wir sollten bewusst in Frankreich beginnen, nicht nur, weil hier einige Wunden noch frisch sind, sondern weil man schon die Nazis erfolgreich mit Champus, gutem Essen und l’Amour tu jour umarmte; meiner geschätzten fünften und vermutlich bald sechsten Republik, dürfte dies Husarenstück gelingen; stellt euch nur vor – Notre Dame de Paris als Moschee; kommt uns diese Initiative nicht wie gelegen, wo sie sich sowieso  im Wiederaufbau befindet? Wäre doch fair, ein wahrer Versöhnungsakt mit der Hagia Sophia in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul.

Seht ihr? Kaiser Konstantin und Erdogan waren ihrer Zeit weit voraus!

Haben wir nicht im April Präsidentenwahl in Frankreich? Jetzt scheint mir der perfekte Zeitpunkt zu sein, dass wir Männer einen Schritt zurücktreten, nach Jahrtausenden der Kriege und Machtspielereien. Lasst und ein neues Zeitalter des Friedens durch das Matriarchat ausrufen, unter der Führung eines weiblichen Ayatollahs, die gleichzeitig politische Führerin, sprich Präsidentin von Frankreich ist, quasi eine Art geschichtlicher Ausgleich zum erduldeten Leid, unter der Schreckensherrschaft des Feudal-Patriarchat von Rom, das am Ende nur bewies, dass es unschuldige Menschen verbrennen, sowie Knaben-Swingerclubs unterhielt,

alles unterm Denkmantel vermeintlich braver Gottesdiener.

Lasst uns konvertieren, zum neuen Islam 2.0 – wo man zwischen zwei verschiedenen weltoffenen Modellen wählen kann – Patriarchat versus Matriarchat – in anderen Worten, zwischen dem klassischem Modell wählt – also Mann= Chef, der arbeitet, Frau=Küche & Kinder – oder umgekehrt, Frau=Chefin die arbeitet, Mann=Küche & Kinder – um endlich die Ungerechtigkeiten der zweitausend Jahre Dominanz der christlichen Kirche auszugleichen und dem Vatikan in der Zwischenzeit Raum für einen Neustart zu geben,

Geld und Zeit hat man ja…

Wär das nichts? Mir gefällt die Idee, besonders, in Frankreich zu beginnen. Ich würde mich sogar als Gegen-Ajatollah zur Wahl aufstellen lassen, als Gegengewicht, um meinen älteren Mitbewohnern ein wenig die Furcht vor der anstehenden Konvertierung, sowie vor der Wahl des ersten und obersten weiblichen Chief-Ajatollahs zu nehmen, und um ihnen gleichzeitig die Augen zu öffnen, dass dies neue System allen Männern erlaubte, direkt ohne täglichen Umweg der Arbeit zum Apéro kommen zu können,

während die Frauen unterwegs sind und für uns alle malochen…

Blume, Mensch, Hologram

Ich denke zu viel. Gestern hab ich es gemerkt. Ich hatte eine SMS bekommen. Das passierte immer wieder. Ich muss gestehen, dass ich lieber schreibe, als telefoniere. Mir fehlt die Körpersprache meines Gegenübers. Auch seine Stimme brauche ich. Wenn ich nur einen Apparat in der Hand halte, der zu mir spricht, dann habe ich das Gefühl ich spreche mit einer Maschine. Die Stimmen klingen mir oft auch völlig befremdlich. Außerdem spuken mir immer Worte im Kopf herum, dass ich manchmal ein Komisches erwische. Ich unterstelle mir, dass ich das nur mache, um ein bisschen Spaß zu haben. Wenn das so ist, wäre das ziemlich egoistisch, besonders wenn der Andere davon nichts weiß. Im Grunde ist es sogar unfreundlich, richtig rücksichtslos. Deswegen schreibe ich lieber. Das ist für alle besser. Schreiben ist für mich lebenswichtig. Es hat mich schon oft gerettet. Allerdings muss ich sehr aufpassen. Wenn ich zu viel schreibe, oder zu viel darüber nachgrüble, was ich schreiben möchte und keinen Ausgleich habe, dann mutiere ich irgendwann zu einem schrägen, wortpuristischen Einsiedlerkrebs. Wenn ich mich dann verwandelt habe,  das geschieht meistens völlig unbemerkt, so unbemerkt, dass ich es nicht mal selber merke, erschrecke ich mich irgendwann, weil ich Offensichtliches, nicht mehr verstehe. Dann weiß ich, dass es wieder passiert ist. Gestern war das so und ich musste sofort an Peter Bichsel und an „Ein Tisch ist ein Tisch“ denken.

Gerade hatte ich Maria-Antonia angerufen und ihr zum Geburtstag gratuliert, als kurz darauf das Handy vibrierte und anfing unruhig vor sich hinzublinken. Ich drückte an dem Gerät herum, bis das Blinken aufhörte und mich eine neue Nachricht ansprang:

„Hallo Don; deine Post aus Ottensen ist zurückgekommen!!!! Gruß Stefanie“

Ich las die Worte nochmal und nochmal. Nichts. Rein gar nichts. Es war nichts zu machen. Ich verstand nicht was das bedeutete. Ich schaute mir die Worte einzeln an. Das ging gut. Die Botschaft blieb mir jedoch verborgen. Und außerdem, wer war Stefanie?

Hatte ich vor kurzem Post verschickt? Ich erinnerte mich nicht. Hatte diese Stefanie mir Post zuschicken wollen, die mir nicht zugestellt werden konnte und deswegen kam sie zu ihr zurück? Ich wohne ja, wo ich wohne. Also, will sagen, ich bin ja da. Mein Name steht auf dem Postfach. Der Postbote kennt mich. Warum sollte er mir was vorenthalten? Oder mir etwas nicht zustellen wollen, wenn es etwas für mich zum Zustellen gab? Ich kapierte es nicht. Ich antwortete auf die SMS so unmissverständlich, wie es möglich war.

„Ich habe keine Ahnung, warum die Post zurückgekommen ist. Ich wohne hier seit einigen Jahren. Eben habe ich nachgesehen: Mein Briefkasten ist noch da. So wie ich.“

Vermutlich werde ich bald Post von Stefanie bekommen. Ich weiß zwar immer noch nicht, wer sie ist, aber ich finde es noch taktloser nachzufragen. Ich bin vergesslich. Es hat auch nichts mit Wichtigkeit zu tun, obwohl mir das ein paar Frauen gesagt, sogar vorgeworfen haben. Mein Unbewusstes macht gar keine Unterschiede. Jedenfalls nicht, das ich mir dessen bewusst bin. Es schert alles über ein und denselben Kamm. Ich glaube einfach, dass es sich für Manche unangenehm anfühlt, wenn ich vergesse mich an sie zu erinnern. Doch für ihre Gefühle bin ich nicht schuld. Sie fühlen sich so, weil sie in mein-vergesslich-sein etwas anderes hineininterpretieren. Das wäre ungefähr so, als wenn ich Stefanie vorwerfen würde sich nicht genug Mühe mit meiner Post gegeben zu haben.

Diese ganze Schose erinnerte mich auch daran, dass ich seit Monaten laufen will. Irgendwie hat das oft nicht geklappt. Ich habe es immer wieder verschoben. Wieder und wieder. Erst um Tage, dann um Wochen. Ich glaube nämlich, dass ich auch zu viel rumsitze. Das ist nicht gut für mich. Bewegung ist wichtig. Bevor ich gestern einschlief, nahm ich mir fest vor, es am nächsten Tag zu tun. Dieser Tag ist heute. Und tatsächlich: ich bin gelaufen. Das war super. Es war zwar sehr grau und windig, aber ich fühlte, wie der frische Sauerstoff meinen Körper in Wallung brachte. Ein tolles Gefühl. Beim Laufen kamen mir auch viele neue Ideen.

Ich erinnerte mich daran, dass ich mich mehr um Giulia kümmern wollte. Sie ist eine interessante Frau. Mit ihr habe ich gerade ein Déjà-vu. Es ist wie bei Alessandra und Maya. Wir Menschen leben manchmal so vor uns hin, dass wir gar nicht merken, dass wir uns von unserem Selbst entfernt haben. Dafür haben wir richtiges Talent. Sowas gelang uns über Jahre. Wir konnten, von unserem Selbst ganz unbemerkt, in unserem all-inklusive Hologramm leben, ohne etwas zu spüren und ohne zu merken dass wir uns nichts Gutes mehr tun.

Als ich die Elbe erreicht hatte, erinnerte ich mich an Mayas Worte, als wir auf Helgoland waren. Sie findet, dass ich mich in manchen Geschichten über Vieles lustig mache. So über das Leben, die Menschen und das alles. Ich würde keine Lösungen haben. Oder Alternativen zeigen und sowas. Sich nur lustig zu machen, ohne dem Leser etwas anzubieten, fände sie etwas wenig. Maya’s Meinung ist mir sehr wichtig. Ich mag Maya sehr, auch wenn sie über Manches anders denkt als ich. Das gerade finde ich so schön an ihr. Alles was sie sagt, hat Gewicht. Wirklich alles.

Ich lief an einer Kirche vorbei. Ein paar Uniformierte legten einen Kranz nieder, was mich daran erinnerte, dass wir Volkstrauertag hatten. Maya’s Worte klingelten mir noch in den Ohren. Wer hatte denn Antworten für das Leben, außer dass Eigene zu leben? Ich bin ein einfacher Mann. Ich lache über mich und skurrile Dinge genauso, wie über Dinge die ich nicht verstehe. Ich habe keine Angst zu fragen, auch wenn es oft ist. Je länger ich darüber nachdachte, fand ich schon, dass ich auch Ideen hatte. Vielleicht drücke ich mich nicht immer gut aus. Das könnte es sein. Davon mal abgesehen finde ich, dass Humor eine ganz passable Weise ist, die Welt zu betrachten. Ich möchte nämlich kein Dauer-Melancholiker sein.

Ich habe zwei Freunde die auch schreiben. Martin hat schon zweimal versucht sich umzubringen und Bernd trinkt. So wollte ich nicht sein. Richtiger Schwermut ist wirklich sehr anstrengend. Manisch Depressive kenne ich. Mal fliegen sie mir was vor, das ich denke ich bin ein Einzeller und mal trauern sie und verscharren sich, dass ich an Ramses und das Tal der Könige denke. Von einem Extrem ins Nächste. Das zerrt an den Kräften.

Während ich so vor mich hinlief, dachte ich mir, dass wir unser Leben nur ändern, wenn ein Meteorit einschlägt. Oder wenn wir unerwartet krank werden, oder wenn uns jemand wachrüttelt, vorausgesetzt, wir ließen es zu.

Mit Giulia bin ich sehr gerne zusammen. Ich habe sie gerne bei mir. Sie hat ein tolles Lachen und einen trockenen Humor, den sie manchmal mit Chili würzt. Letztens haben wir im Café de Paris gefrühstückt. Sie hatte ein Strickkleid an, was ihre schönen langen Beine betonte. Sie sah toll aus. Ich fühlte mich wie Wile E Coyote, der mit gewetztem Messer hinter dem Roadrunner her ist. Wenn es Giulia gut geht, kann sie das blühende Leben sein. Im Cafe de Paris sah sie auch so aus.  Seit kurzer Zeit ist sie leider mehr eine traurige Blume, deren Blätter schwer unter den dicken Tropfen der Melancholie und Schwermütigkeit zu tragen haben, mit dem ihr Leben sie unkontrolliert besprenkelt und gießt. Ich glaube es gibt ein paar Dinge die sie stören. Wenn dann der Herbst kommt, mit grauer Wettersuppe, mit Wind & Kälte, wenn die Unzufriedenheit wuchert und den Tisch verziert, wenn munter durch die Luft vagabundierende Erkältungsviren erst an unserer Nase, dann an der Tür klopften, dann sind wir für-war leichte Beute.

Ich war auf dem Rückweg und lief das kurze Stück am Indochine vorbei, wo ich gestern ein paar Fotos gemacht hatte. Dann rannte ich den Neumühler Kirchenweg hoch und kam wieder an der Kirche vorbei. Der verlassene Kranz bewachte traurig das feuchte, metallischglänzende Mahnmal. Vor langer Zeit hatte man es zu Ehren der Gefallenen aufgestellt. Gerade warf ich noch einen kurzen Blick, sah den gesenkten Blick des Marmors, als es durch mich hindurch fuhr: Mich ärgert es, das Giulia so vor sich her mäandert und von Entzündungen, Kopfschmerzen und akuter Schlappheit gebeutelt ist. Das fing an, mich richtig zu nerven.

„Die werde ich mir schnappen. Ich werde mich um sie kümmern, aber richtig. Nicht mehr reden: Handeln. Klar, wenn sie nichts ändern will, nicht offen für Veränderung ist, dann lass ich sie weitermachen und weiterziehen. Aber ich werde ihr ein paar Sachen zeigen, ein paar Dinge anbieten. Ha, das wäre ja wohl gelacht, wenn ich die nicht aus ihrem Kokon und Dornröschenschlaf gerissen bekomme!“

Ich fragte mich, warum ich das machen wollte. Wozu? Warum?  Ist es Neugier? Oder war es etwas anderes? Ich hatte den letzten Kilometer vor mir. Buntes, verklebtes Laub auf dem Boden. Der Belag wechselte ständig. Es war ziemlich rutschig. Ich musste aufpassen. Ich horchte weiter und weiter. Nichts. Da plötzlich sah ich eine stille Vorfreude lächeln. Das war es: Es ist Freude und Neugier. Das ist wie Sneak-Preview. Du machst es, ohne zu wissen was herauskommt. Das ist es. Ich bin gespannt, was zum Vorschein kommt. Manchmal gab es die größten Überraschungen. Hin und wieder nahm es ganz unerwartete Formen an, wenn man einen Menschen auspackte. Wenn er neue Facetten an sich fand, die er mochte, vielleicht sogar anfing zu lieben, konnten die tollsten Sachen passieren. Es ist Neugier und Instinkt, gepaart mit Vorahnung. Bei Charlotte, Alessandra und Maya hatte es geklappt. Bei Giulia würde es das auch. Es würde gut werden.

Ich bog um die letzte Ecke und ging den Rest. Ich machte ein paar Atem und Dehnübungen und freute mich auf mein Frühstück, mit Café und wachsweich gekochten Eiern.

Als ich die Tür aufschloss, sah ich im Briefkasten nach. Vielleicht gab es am Sonntag Post von Stefanie. Als ich die Treppe hochging dachte ich an die Geschichte, die ich schreiben wollte. Schon pflückte ich ein paar saftige Worte und sortierte den Inhalt:

„Ich denke zu viel. Gestern habe ich es bemerkt.“