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Digitale Schizophrenie – Odyssee 2020 CW03

Heute morgen bin ich laufen gewesen. An sich mag ich es, weil es extrem anregend ist. Fast alle meine Ideen habe ich, wenn ich mich bewege und je mehr, desto besser. Im Grunde liegt es ja auch auf der Hand. Wenn man nur rumsitzt, wird halt alles zur Qual, wenn du dich mehr….naja, und so weiter. Zu meinem ausgedehnten Sonntags-Frühstück I’m Anschluss gesellte sich meine Zeitung und ich las einen Bericht über den raueren Umgang im Deutschen Bundestag, seit die AfD einzog.

Hm, komisch dachte ich, irgendwie wirkte der Bericht auf mich verstörend, nicht wegen der AfD, sondern wegen der Empörung, die sich zwischen den Zeilen in allen Farben ergoss. Demokratie braucht doch den Streit. Noch heute höre ich die Worte von Franz-Josef Strauß, der einmal sagte, ich zitiere „Rechts von der CSU befindet sich nur noch die Wand!“ und das meinte der Gute FJS bitter-ernst. Natürlich hatte er mit Helmut Schmidt ein mindestens ebenbürtiges Gegengewicht, aber Demokratie ohne Streit, ist keine!

Was das mit mir zu tun hat? Nun, ich liebe Demokratie und Freiheit. Was man dafür tun muss ist mir klar, dafür brauche ich weder den Staat, noch eine Partei, was nicht heißt, dass letztere nicht immens wichtig sind und genau DA, glaube ich, hapert es. Es macht einen GROSSEN Unterschied, wenn sich keine Partei mehr die großen Fragen stellt. Vermutlich strauchelt man schon bei der Identifizierung eben Solcher. Eine GROSSE zum Beispiel ist nicht, ob Parteien wie die AfD Platz im Deutschen Bundestag haben – sollte jemand die Frage stellen, gehört er sofort in die Grundschule vierte Klasse befördert, weil man in der fünften meist in Politik das Thema Demokratie bekommt.

Eine große Frage, zumindest für mich, ist, wie soll mein Land, meine Republik, meine Demokratie, unsere und meine Zukunft aussehen? Wie wollen wir leben und arbeiten? Heute, morgen, in 30 Jahren? Wenn in Deutschland im Jahre 2019, über 85% der Haushalte, unter 40.000€ Jahreseinkommen haben, und die übrigen 15% die Mittelschicht und Oberschicht repräsentieren, ohne über die Verteilung von Vermögen zu sprechen, dann muss man nicht Professor für Wirtschaftsethik sein, um zu erkennen, dass a) der Mittelstand ausstirbt und b) die Schere von Reichtum versus unterem Lebensstandard weiter und weiter auseinanderdriftet.

Was das mit Demokratie und Freiheit zu tun hat? Na, alles. Daraus leitet sich doch eine zentrale große Frage ab: Wenn der heutige Kapitalismus diesen Trend unterstützt, wollen wir das dann so lassen, oder ändern? Sagen wir mal in Deutschland, wenngleich sich diese Frage jedes Land in Europa, am Ende die ganze Welt stellen muss – doch lasst uns mal der Komplexität halber mit dem Eigenen Land anfangen, vielleicht sogar mit uns selbst – ist vermutlich volksnäher.

Unsere Wahrnehmung ist nämlich genauso selektiv und bruchstückhaft, wie alles an uns. Wir mögen nur nicht den Preis zahlen – Zechpreller sind wir in Wahrheit – vielleicht müssen wir erst einmal akzeptieren, dass die einzige Konstante unsere menschliche Gier ist, die Sucht nach höher, weiter und mehr – und nach Helden, nicht zu vergessen, die digitale Empörung, die einem beim Ansprechen von Selbigem auf allen Kanälen entgegenschlägt.

Aber Darüber wundern? Das sollten wir nicht! Es liegt ja vor unserer Nase, wir müssen nur hinschauen, wollen wir aber aus guten Gründen nicht. Stattdessen schauen wir in weite Ferne, wo das Elend groß ist und nicht schnell an unsere Tür klopfen kann.

Also, zurück zur großen Frage: Will ich, wollen wir das ändern? Und dabei ist die Antwort der wahrlich schwierige Teil, denn er offenbart, wie groß und tief die Heuchelei reicht. Ist sie rein oberflächlich, oder sind wir längst bis ins Mark von Komfort, Luxus und Dekadenz korrumpiert worden? Denn WENN wir das ändern wollten, müssen wir dementsprechend handeln,

Früher war es das natürliche Gebiet der SPD. Da die schon unter Gerd Schröder mit der Agenda 2010 nicht kapiert hat, dass sie sich ihr eigenes Grab dadurch schaufelt, weil ausgerechnet ein SPD-Kanzler mit Herrn Harz gemeinsame Sache machte, um der vermeintlich freundlichen Wirtschaft den Rücken zu stärken, während man heute, zwei Dekaden später zugeben muss, dass es das ganze Land noch weiter auseinandergetrieben hat, vorausgesetzt, man möchte das erkennen. Dass es dabei keinen Aufschrei gab, war für mich ein deutliches Zeichen, dass man in Deutschland, nach über 80 Jahren, mal wieder mit Allem durchkommen kann.

Deswegen ist es auch kein Wunder, dass es im Netz, in Zeitungen und auf Arbeitsplätzen, wo wir gleichen Menschen arbeiten, von Unzufriedenheit, Hass, Missgunst und Schizophrenie nur so wimmelt. Kein Wunder, dass wir früher oder später krank warden – und auch hier, wie vor unserem super-digitalen Fernsehprogramm,  ist die Auswahl an Krankheiten reichlich, wie man am Beispiel der stetig weiter-wachsenden Konsum-Schizophrenie erkennen kann.

Beispiel E-Fahrrad und E-Roller. Mittlerweile spricht die ganze Welt von Umweltschutz, weswegen sich aber die gleichen Leute diese elektrisch unterstützten Fortbewegungsmittel kaufen, erschließt sich mir nicht. Neulich sprach ich mit einem darüber. Mein Argument war, wenn du zu Fuß gehst, oder den Plattfuß an deinem alten Fahrrad heil machst, brauchst du dir beides nicht kaufen, womit du dem Planeten Müll ersparst und du gleichzeitig mehr für deine Gesundheit tust. Umweltschutz ist praktizierter KONSUM-Verzicht.

Als mein Gegenüber anfing davon zu reden, wieviel Kraftstoff er seitdem nicht mehr verbrennt, wo er jetzt mit Strom fährt, musste ich schmerzhaft erkennen, dass wir auch beim Thema Eigenverantwortung noch reichlich Raum nach oben haben. Spätestens, als ich meine Zeitung weiterblätterte und mir eine gewaltige Werbung ins Gesicht sprang, wo ein Bayrischer Premium-Automobilhersteller seinen 2,5 Tonnen schweren SUV mit Hybrid und Elektro-Antrieb anpries, bekam ich einen Lachanfall.

Wenn ich immer weiter mache, füttere ich die fette Hure Kapitalismus. Wenn ich sie doof finde, kann ich mein Verhalten ändern. Klar wird man mit zwei Rädern mal nass, aber wenn ich im Stadtzentrum täglich Probleme mit Parkplatz habe, wobei ich noch dazu ständig im Stau stehe und für meinen Parkplatz / Stellplatz 150€ im Monat zahle aber trotzdem nichts ändere?

Mein Lieblingsthema Pflanzenschutzmittel, ich weiß nicht mal, was das sein soll, weil es ja andere Pflanzen tötet und nicht schützt. Faschismus, oder noch passender müsste man es einen Genozid nennen, wenn ich eine Sorte ausrotte, um eine andere zu schützen, oder zu stärken, damit sie groß und….mein Gott, damit wird einem ja schlecht…!

Wohin man auch sieht – Schizophrenie. Als man das Planzen-Genozid-Mittel von Monsanto letztendlich doch freigab, konnte ich mir nicht verkneifen zu denken, ein wenig zynisch auf die Erklärung hierfür zu warten. Ich glaube es war die Landwirtschaftsministerin, oder irgendein Regierungsvertreter, gemeinsam mit den Vertretern der Landwirtschaft, die erklärten, dass die Ernten sonst schwächer ausfallen würden….! Hat man noch Töne?

Natürlich tun sie das, deswegen nennt sich die Natur auch Natur, weil alles an ihr natürlich ist. Wenn die Landwirtschaft mit geringeren Erträgen nicht leben kann, ist das System falsch, weil ein System, in dem man das Spritzen der eigenen Ländereien in Kauf nimmt, um diese von Gift begossenen Lebensmittel zu essen, nicht ganz bei Trost sein kann. Überdüngung muss aufhören, sowie das Spritzen von Gift. Wie sollen die 85% der Deutschen sich gesund ernähren, wenn alles was sich Bio nennt, nur von den oberen 15% bezahlbar ist?

Wir haben so viele fundamentale große Themen vor der Brust, dass man wirklich nur noch nachschenken kann, im Ernst! Stattdessen wird über die AfD geschrieben. Sie ist doch auch nur ein Ergebnis von mangelnder lebendiger Demokratie im tausendjährigen Angela-Merkel-Reich. Wut, Energie, Wasser und Strom sucht sich immer seinen Weg und findet ihn auch. Solange wir das Potential jedes einzelnen Bürgers, jedes Individuum nicht nutzen, wird der Lebensstil der oberen 15% durch die Unzufriedenheit der Schlechtbehandelten und Schlechtbezahlten bedroht – und das zu Recht!

Wirklich fremdschämen kann man sich deswegen nur gegenüber jenen, die sich immer wieder aufs Neue wundern. Über die Flüchtlinge, über den Trump, über den bösen Putin, die vielen Chinesen und Inder und überhaupt, warum kann nicht einfach alles so schön gemütlich und heimelig bleiben, wie es mal war? Wieso nicht?

Das, liebe Genossin und Genossen, sollten wir bei einem Glas Wein besprechen, ach was sage ich, ein Glas, eine ganze Flasche, mindestens – sonst gehen wir uns nämlich schlussendlich noch an den Kragen und das wollen wir doch nicht, nicht wahr? Wir wollen, dass alles so schön kuschelig und überschaubar bleibt, wie wir es früher so liebten, mit Modelleisenbahn, Kneipe im Keller, Landschaftstapeten und Schlagern von Roland Kaiser und Wolfgang Petry – Prost !