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08.Mai – Sieg! Victoire! – Odyssee 2022

Was gibt’s Schöneres, als‘n Kriegsende zu feiern? Richtig – verdammt wenig. Zwar lohnt‘s sich darüber nachzudenken, ob zum Beispiel der Tod/t des King, oder das Ableben anderer künstlerischer Größen / Größinnen so in den Hintergrund treten, jedoch geschieht das, wie wir alle wissen, mehr aus Gründen dekadenter Zerstreuung. Oder in anderen Worten – manche Gedanken ordnen wir ganz bewusst als „vom Luxus des Friedens, kugelrund gesäugten abwegigen Umweg zum Müßiggang“ ein.

„Anti-Krieg“ passt auf jeden Fall immer.

Wer ist schon dafür, außer Kyrill und der neue russische GröFaZ. Wo wir aber heute, am 8.Mai nun einmal schon so feierlich zusammengekommen sind, liebe Gemeinde und uns bei Oblaten und rotem Traubensaft an den Händen fassen und Tränen akkumulierter Rührung aus unseren glänzenden Vogelnestern streichen, während wir über Themen wie Größe, Blut, Leib und Kriechende sinnieren, fällt mir ein, dass der heutige Tach gut zu Thema vier passt. Ihr erinnert euch bestimmt, nicht wahr?

„Du bist nichts wert und andere Anti-Motivationen…“.

Am zweiten April nannte ich verschiedene Themen; neun insgesamt, passend zu den neun Geboten. Anti – also gegen etwas zu sein, ist, wie ich finde, grundsätzlich attraktiv, solange es kein Automatismus ist. Erwartungsgemäß ist der 8.Mai unterschiedlich besetzt. In Deutschland heißt er „Kriegsende“. Außerhalb Germanias nennt man ihn schlicht „Sieg!“. Oder „Victoire“ Was interessant ist – ‘ne einzelne Nation verliert, damit die Mehrheit gewinnt.

Klingt nach der vom Aussterben bedrohten „Demokratia“.

Wir hatten bereits letzte Woche erste Vorschläge erörtert, wie man anti-national handeln kann; heute folgt daher die komplementäre Übung dazu – „Anti-Motivation“ – passenderweise am Tag des erlösenden Kriegs-Ende von WW2. Lasst uns daher ab sofort alles tun, um richtig unmotiviert und richtig wertlos zu werden. Aber wartet: Vielleicht haben wir Glück und wir sind‘s schon.

Lasst uns also mal schauen.

Wenn man bei Wiki sucht, findet ihr alle Möglichen; da gibt‘s mathematische, ökonomische und eine lange Liste anderer Werte. Auch moralische Wertvorstellungen gibt‘s. Aber anscheinend gibt’s keinen für Menschen, wie beispielsweise bei der Temperatur. Haben wir Menschen etwa keinen Wert? Merkwürdig. Wäre es nicht klasse, wenn man euch ein Messgerät in eine eurer – beispielsweise – Körperöffnungen steckt, um euren WERT zu messen?

Ehrlich gesagt finde ich’s beruhigend, dass es sowas nicht gibt.

Oder doch? Theoretisch, den Wissenschaften nach jedenfalls nicht. (Praktisch schauen wir uns das an einem anderen Tag an!) Philosophen sind sich ungewohnt einig. Nehmen wir als Beispiel den lieben Albert Camus. Wertlos zu sein und ein absurdes Leben zu führen, ist nicht nur möglich, sondern kann erleichtern, wie man am Beispiel Sisyphos‘ sehen kann.

Jene buchstäbliche Schuldunfähigkeit,

die uns die römisch-katholische Kirche anbietet funktioniert zwar anders, kommt aber zum gleichen Ergebnis; von Geburt an culpa haben und minderwertig sein, erlaubt mir bequem meine Verantwortung abzugeben, doch Obacht – warum ist wertlos eigentlich etwas Negatives für uns?

Warum wollen alle etwas wert sein?

Vor Wochen gestand mir ein Kumpel, dass er lieber mit reichen einflussreichen, statt mit armen unbedeutenden Menschen seine Zeit verbringt. Als Begründung nannte er mir, dass der Pöbel keine spannenden Geschichten zu erzählen hat, weil er von Natur aus ein langweiliges Leben führt. Zu seiner Ehrenrettung:

Er schoss den Nebensatz aus seiner ungesicherten Hüfte.

Und doch hinterließ es bleibende Spuren und Gedanken in mir. So wahrnehmend, leuchtete mir ein, warum sich mein Kumpel – vermutlich – ein wenig verirrt hatte. Lange kaute ich darauf herum. Ein paar Wochen später trafen wir uns wieder. Diesmal kam ich gleich zur Sache und sagte ihm, dass ich lieber Diogenes von Sinope, statt Cäsar treffe, wenn ich mir was Derartiges von den griechischen Göttern wünschen dürfte.

Überrascht zog er seine Augenbrauen hoch und begann zu grübeln.

Ich ergänzte, dass Diogenes, in der heutigen Welt, ein Obdachloser sein müsste, der sich noch dazu selbst, „Hund“ nannte, falls alle Überlieferungen stimmen. Ungewöhnlich lange schwieg und sinnierte mein Gegenüber. Ich war in bester Stimmung und schob weitere Argumente hinterher, so in der Art wie,

„Wert ist‘ne Betrachtung, von‘nem Standpunkt aus“.

Oder ist etwas, was ausschließlich im Vergleich zu etwas Anderem entstehen könne; für mich bedeutet wertlos zu sein, völlig frei von Vergleichen und Erwartungen leben zu dürfen, idealerweise es auch zu bleiben. Oder in kürzester Kürze:

Kein Sinn, kein Schein – nur Zeit und Sein.

Was das mit WW2, Anti-Motivation, Wertlosigkeit und Beteigeuze zu tun hat? Und wieso Menschen Sinn suchen, wertvoll, wahrgenommen und geschätzt sein wollen, anstatt, ohne Qualitätssiegel der Anderen zu versuchen sich selbst zu mögen, um ein anti-auffälliges, anti-spannendes, dafür aber zufriedenes Leben zu führen? Keine Ahnung.

Wenn ich will – alles. Wenn nicht – nichts!

Letztendlich – das sage ich euch in aller Deutlichkeit – siegt immer Fleisch, Blut, Hunger, Durst und Zeit. Solange man kauen, trinken, und lieben kann, sollten wir uns aus vollster Brust bis zum letzten Tropfen verschwenden…

Halleluja ruf ich euch durstigen Seelen zu….

Und Proust…!

 

17.April – Die Russen kommen! – Odyssee 2022

Endlich! Ob mit oder ohne Atomkrieg – bald kommen die Russen. Na endlich, kann man da nur sagen, denn seit führende Wissenschaftler herausfanden, dass auch Russen ihre Kinder lieben – der Brite & Barde Sting hat in den Achtzigern sogar eine Ode an unsere Brüder und Schwestern geschrieben, die jenseits der Oder-Neiße-Rhein-Donau-Moldau-Don-Grenze leben, mit eben jenem Leitkulturthema.

Doch was bedeutet das für uns – im hier und jetzt?

Zuerst einmal können wir uns alle beruhigen. Denn selbst wenn der Russe mit einer Kalaschnikow bewaffnet die Hauptstraße eures geliebten Heimatdorfes gefährlich hinunterschreitet, verbirgt sich hinter jedem Russen und jeder Russin – ein Mensch. Ein Mensch wie du und ich, der genauso wie du und ich – zur falschen Zeit, im falschen Körper, im falschen Land zur Welt kam und den man lang genug großzog, bis er bereit war, für all das – was er, sie und ich

Heimat, Vater- oder Mutterland nennen – zu sterben!

Sollte also der mit einer entsicherten Kalaschnikow bewaffnete Russe nicht von selbst an eure Haustür klopfen, dann bittet ihn freundlich herein. Haltet Papirossi-Zigaretten und eisgekühlten Wodka bereit. Russen lieben Musik. Piotr Tschaikowski kommt unglaublich gut an, besonders „Capriccio Italiano“. Auch die Don Kosaken – übrigens aus meiner Sicht das beste Oktett, was dieser wunderschöne blaue Planeten zu bieten hat – hören Russen gerne.

Sorgt dafür, dass er sich bei euch zuhause wie bei sich zuhause fühlt.

Bereitet traditionelle russische Gerichte zu. Borschtsch ist beliebt und in gewisser Weise, der große Bruder vom deutschen Labskaus, nicht nur wegen roter Beete. Haltet Gästebetten bereit. Er oder sie – nicht vergessen, auch bei den Russen gibt‘s Soldatinnen – wird sich wie zu Hause fühlen, reichlich essen und trinken und irgendwann einschlafen. Wenn Wodka nicht alles ganz von alleine regelt. So oder so:

Lasst ihn ausschlafen.

So ein Marsch zu eurer schönen Heimat – z.Bsp. Struxdorf, Stade, Tangstedt, Ratzeburg, Ahrensburg, Hamburg oder Kiel macht hungrig und müde. Stellt Waffenöl Marke Ballistol auf den Tisch eurer guten Stube, falls er seine Flinte reinigen will. Solltet ihr von Vätern oder Großvätern Reste der Herrenpflegeserie „Tabac Orginal“ haben, stellt sie einladend ins Badezimmer. Wissenschaftler haben in den letzten Jahrzehnten herausgefunden,

dass Alphatiere (Mann wie Frau) auf diesen Duft stehen.

So habt ihr bei Russen ‘nen Stein im Brett. Nun folgt der wichtigste Moment eures Lebens. Unterhaltet euch. Kotzt euch über die Bundesregierung aus; über die hohe Steuerlast, hohe Energiepreise, die Inflation, schlechte Lebensmittel und zu viel harte Arbeit, für zu wenig Geld. Eigentlich seit ihr die Russen von Europa!

Für 85% der Deutschen trifft das seit Langem zu.

Fluchen ist Öl für unser große Weltengetriebe, welches uns Menschen zusammenbringt. Meckert über Deutschland, was das Zeug hält. Macht dem Russen klar, dass es euch nicht besser als ihm geht. Macht ihm klar, dass auch seine Regierung alle verarscht – viel mehr noch:

Es ist überall das Gleiche!

Erinnert ihn daran, dass schon seit tausenden von Jahren – hüben wie drüben – Mächtige und Reiche regieren und unser aller Schicksale bestimmen. Nur deswegen treffen wir aufeinander. Warum also gegeneinander kämpfen? Erläutert dem Russen, dass alle Menschen die gleichen Grundbedürfnisse – UND – eine Wahl haben.

Besser ist es bei keinem von uns.

Lasst IHN / SIE wählen. Bietet IHM / IHR an, ihn / sie zu adoptieren, um deutscher Staatsbürger zu werden, oder umgekehrt, wenn‘s ihm lieber ist – dass ihr russische Staatsbürger werdet. Einer von beiden wird ‘ne neue Sprache lernen, was wundervoll ist.

Staaten sind künstlich erschaffen.

Da macht es keinen Unterschied, zu welchem man zählt. Dafür zu sterben? Wie aberwitzig! Stellt euch das mal vor – ein Vaterland, dass euch nach Strich und Faden abzockt, euch Steuern zahlen lässt, bis euch der Arsch blutet; der euch als Kunden zweiter Klasse ansieht – siehe Dieselaffäre Volkswagen, USA Kunden versus Deutsche Kunden – ein Thema mit unendlich vielen weiteren Beispielen. Und dazu Agenda 2010 – welch sarkastischer Witz,

noch dazu von Gazprom-Gerd!

Ein-Euro-Jobs, die einem nicht erlauben davon zu leben, geschweige mit Familie. Was ist das für ein Land, dass seine Bürger bis 67, am besten 70 arbeiten lässt, festgelegt von Politikern, die jenes Schicksal nicht teilen? Ihr seht es selbst – wollt ihr euer Leben für diese Vaterlandshure hergeben und mit dem Russen kämpfen, der unter Gleichem zu leiden hat? Ist es nicht viel schöner gemeinsam zu essen und trinken und sich entweder umzuorientieren,

oder ‘nen neuen Mitbürger willkommen zu heißen?

Wenn schon Syrer und Ukrainer frei einreisen, warum nicht unsere russischen Brüder und Schwestern? Menschen nehmen genau jene Nationalität und Religion an, wo sie aufwachsen. Manchmal nennen sie‘s „Heimat“ oder „Zuhause“, bei besonders stolzen Modellen – „Vaterland“ oder „Mutterland“ – keiner von uns hat seine Nation ausgewählt. Seit ihr wirklich bereit DAFÜR euer Leben herzugeben?

Niemand ist das – in Wahrheit!

Auch wenn die Geschichte der Menschheit voll von Mord- und Totschlag, ein einziges Kettensägenmassaker ist! All das war nur ein großer – Irrtum – wollen doch alle Menschen letztlich in Frieden leben.

Warum sich also von Politikern aufhetzen lassen?

Lasst uns jede Russin, jeden Russen willkommen heißen, die fälschlicherweise von ihrer ebenso blutsaugenden Regierung dazu gezwungen wurde, Krieg zu führen. Wenn wir sie willkommen heißen, ist es kein Überfall, sondern ein Besuch unter Freunden,

zum gemeinsamen Mittag- oder Abendessen.

Und mit dieser völkerverständigenden Anleitung, entlasse ich euch ins geheiligte Osterfest, wo ihr dem Latschenträger nebst Anhang gedenkt. Entzündet Osterfeuer, falls nicht längst geschehen; lasst Friedensfeuer leuchten; make Love not War; kocht Borschtsch, trinkt Wodka, flucht und rülpst laut; lasst es euch gut gehen; bis zur nächsten Woche, wenn es heißt:

„Anti-Nationalismus…..oder Völker, die die Welt nicht braucht….!“

Da-sein – Odyssee 2022 CW13

27.März – Endlich wieder regelmäßig laufen! Meine Güte, wie schnell macht mich ewiges Rumsitzen porös. Ich sach nur – Anima-Sana-In-Corpore-Sano. Mit diesem Motto hat Asics mal‘n schön-sinniges Motto gewählt, wenngleich ich nicht mehr mit denen laufe. Seit ich wieder meine Runden um die Garonne drehe, ist das Happyness-Level höher. Vielleicht liegt es auch an der Sonne, die seit Tagen länger scheint.

Zur Zeit buddel ich mich durch mein neues Buch.

Und bin gerade dabei, alte Geschichten aus tiefem Lebens-Gestein heraus-zu-schürfen, als wieder dies merkwürdige Gefühl des totalen Nichtwissens ausbrach. Wieder saß ich da und wusste nicht wer und wo ich bin. Woher das bloß kam? Es hat nichts Beängstigendes an sich. Eher ist es ein zutiefst merkwürdiges Gefühl, als würde ich hinter einem Vorhang stehen, der wie‘n milchiger Filter zwischen mir und dem wahren Leben schwebt.

Ich kann es nicht besser erklären.

Es ist, als wenn ich in einem unbekannten Leben, auf einem unbekannten Planeten wachwerde. Wie beim re-booten eines Computers, wenn „Es“ noch nicht weiß, was „Es“ geladen bekommt. Schon der alte Siegmund Freud hatte die Erfindung des „ES“ für sich in Anspruch genommen, was allerdings nicht ganz korrekt ist, wenn man pingelig sein will und wie ich glaube, wenn ich rückwärts blickend,

Nietzsche und die alten Griechen richtig verstehe.

Doch wenn grauhaarige Männer mit Pfeife oder Zigarre grimmig und humorfrei aus der Wäsche schauen, dann widerspricht man denen nur unter dem Einfluss von Drogen oder Wein. Wie der arme Wilhelm Reich das alles aushielt, bleibt mir ewig ein Rätsel. Nun, in Wahrheit hat er es ja auch nicht…

Auch Günni Grass kam mit Pip und Tweet-Jacket daher….

Aber worauf will ich eigentlich hinaus? Ach ja: Jedenfalls hat Sigi mit seinem „Das ich und das Es“ eine anständige Schrift hingelegt, was mich vor Jahren einlud, diesen Zustand des totalen „Nicht-Wissens“ mit dem Zustand des „Über-ES“ gleichzusetzen, dass am ehesten das „Äußere / Weltliche / Kosmische“ beschreibt, all das, was nicht Teil meiner Ich-Facetten ist, quasi das große Ganze, minus mir und meiner Natur, das sich wieder mal so stark meiner bemächtigte,

dass es für kurze Zeit Sigi’s 3er-Facette in mir hinfort-wischte.

Ähnlich, wie bei einer tiefen Meditation. Nur das ich ganz klar im „HIER UND JETZT“ und nicht im „ÜBERALL“ zu sein schien. Schon öfter hab ich‘s erlebt. In letzter Zeit allerdings häufigerer, wo ich regelmäßig in Untiefen herumfische und mich mit dem Da-Sein als Solches und Meinem im speziellen auseinandersetze. Da geht es unter anderem ums alltägliche Dasein und wie‘s mit Heisenbergs Unschärferelation zusammenhängt – in anderen Worten:

Warum 100% bewusstes Leben in Wahrheit – unmöglich bleibt!

Es bleibt eine unendlich dichte Annäherung. Vollständige dauerhafte Erlangung ist jedoch nicht drin. Man kann kleine Zeitfenster eines erhöhten Bewusstseins erreichen, Hindu‘s und Buddhisten zeigen das, jedoch bleiben es Inseln des Runter- oder Raufkommens, je nachdem wie man’s sieht. Was das mit mir zu tun hat?

Das versuche ich herauszufinden. Was bedeutet Da-sein – und wie empfinde ich meines, rückblickend und im Jetzt verharrend?

Nun, wir werden sehen…

Lesung – Odyssee 2022 CW12

20.März – Meine Lektorin ist sehr kreativ. Ich weiß nicht, ob man das von allen Menschen im Literaturbetrieb sagen kann, über sie auf jeden Fall. Ständig hat sie Ideen, keine Ahnung woher die alle kommen. Auch ist sie immer auf Achse. Mental, sowie physisch. Was sie pro Tag denkt und veranstaltet, leben sich die meisten nicht mal in einer ganzen Woche zusammen.

Unruh nennt man die innere Mechanik,

die Uhrzeiger antreibt. Ich glaube wir Menschen tragen auch eine in uns. Im Gegensatz zur Uhr, sind wir Menschen jedoch in der Lage uns selbst aufzuziehen. Manchmal sogar gegenseitig. Sie also neulich – „Don Tango Lesung in Planung, nenn mir bis Ostern vier Termine“. Spontan fing ich an über mögliche und unmögliche Tage nachzudenken. Für meine Verhältnisse kam ich relativ flott auf mögliche Veranstaltungstermine. Schon krempelte Monsieur Thalamus seine Ärmel hoch und begann über die Lesung nachzudenken.

Was sollte ich vorlesen?

Wie lange soll der Event gehen? Fang ich erst langsam an und schaue, wie sich das Publikum verhält und wähle dann, ganz biodynamisch, je nach Stimmung meine nächsten Geschichten? Doch so schnell die Lesung am Horizont auftauchte, verschwand sie auch wieder. Nur wenige Tage später verkündete meine Lektorin, dass die Veranstalterin, offenbar eine Freundin, oder Bekannte, mein Krokodil vollständig durchgelesen hat und so begeistert ist,

dass sie die Lesung absagt.

Ob es an meinem Schreibstil, oder an vereinzelten Geschichten liegt, die ihr nicht gefallen, wie zum Beispiel die über meine Albi-Lesung, weiß ich nicht. Ob die unangenehm berührte Dame ihre Meinung noch mal ändert, oder ob meine Lektorin einen anderen Veranstaltungsort findet, weiß ich auch nicht.

Ehrlich gesagt – weiß ich nichts.

Aber das weiß ich dafür gesichert. In solchen Momenten fühle ich mich Sokrates nahe. Nicht wegen der Weisheit oder seiner Frau Xanthippe, wenngleich ich Freundinnen hatte, die mich an sie denken ließen, sondern wegen seinem Bekenntnis zur Unwissenheit. Man hat ja in Wahrheit keinen Griff am Leben, geschweige am eigenen. Wer glaubt Einfluss, gar Kontrolle über sein Leben zu haben, muss wirklich von begnadetem Optimismus,

oder religiösem Glauben erfüllt sein.

Überhaupt – haben Frauen was Mystisch-Unbegreifliches an sich. Intuition kann man es wohl nennen. Früher hat es mich sprachlos gemacht. Heute ist es so wie der plötzlich aufkommende Regen. Eben sah ich noch Sonne, plötzlich wettert es vor sich hin, dass man denkt die Welt geht unter. Für so etwas braucht man Gummistiefel und Geduld. Oder man(n) wird Philosoph,

wie Sokrates.

Schauen wir mal, ob‘s diesen Sommer ‘ne Lesung in Norddeutschland gibt. Meine letzte ist ja schon ‘ne Weile her. Eigentlich können sie Spaß machen, vorausgesetzt sie finden statt. Ich bereite mich einfach darauf vor, dann bin ich zumindest – im wahrsten Sinne des Wortes – auf Alles vorbereitet. An mir soll es nicht liegen. Außerdem, wie soll Don Tango bekannter werden, wenn die Menschen nichts von ihm wissen?

Eben…