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23.April – Springer – Odyssee 2023

Schnell kam ich über den geklauten Rückenprotektor hinweg. Fünf Minuten dauerte es. Selig schlief ich, leise, zehn Stunden, langsam, wachwerden, aufstehen, Frühstückskaffe, stark, süß, Griechisch-Mokka, durch Zeitung blättern, auf Seite zwei springt er mich an:

Matse Bond Döpfner.

Mit dem Namen Springer verbind‘ ich viel. Springer Urvater zum Beispiel, ein furchteinflößender Weinbrandverschnitt, von auffälliger Qualität; Väter meiner Kumpels schluckten ihn mit Fanta und Cola, bis das Licht ausging; nie ging’s um Genuss,

immer um Verlust der deutschen Muttersprache.

Springer als Schachfigur, kann um Ecken schießen, meine Lieblingsfigur, vor Bauern, Läufern und Türmen; und natürlich Axel Cäsar Springer, Verleger, Galan, Mäzen, Altona, Hamburg, Erfinder der Bild-Zeitung, Hanseatisches Gegenstück von Gianni Agnelli.

Deutschland ist Bild.

Bild ist Deutschland. Bild hat Springer groß, reich und mächtig gemacht. Matse ist vermutlich der erste Verleger, der sein gedrucktes Flagschiff abschaffen will. Keine Ahnung, ob man das innovativ nennt. Was wäre die Kirche ohne Sünde und Beichte?

Vermutlich frei von Gläubigen.

Friede scheint das nicht zu stören. Angeblich hat sie Matse Aktien im Wert von einer Milliarde geschenkt, Zahl mit neun Nullen(!). Warum sie nicht gespendet hat, wo die Allgemeinheit sie reich gemacht hat? Das müsste BILD mal herausfinden.

Matse finde ich cool.

Geisteswissenschaften, groß, schlank, Dandy mit Stil, Neugier, Geld und seit Jahren, wachsende Macht. Hat überall seine beachtlich große Nase reingesteckt und scheinbar schnell kapiert wie’s geht. Gibt ja reichlich Literatur und Beratung dazu.

Wie schön.

Zum Beispiel „First, break all the rules“, von Marcus Buckingham, man lockt den Käufer mit dem Untertitel „What The World’s Greatest Managers Do Differently“, Wörter in Groß-Buchstaben, jawoll! Manager-Magazin, McKinsey-Unternehmensberatung,

was wär‘ die Welt ohne Experten.

Sogar der Vatikan hat Berater für sich tätig. Ob von McKinsey, weiß ich nicht. Vielleicht ist‘s Roland Koch himself. Wiki sagt, dass er Professor für, „Management Practices in regulated Einvironments“ an’ner Frankfurt School of Finance & Management ist.

Deren Motto: „German Excellence, Global Relevance“.

Man unterhält in der HH-Hafencity einen Campus. Bestimmt fördert irgendein Springer das Institut. Laut Wirtschaftswoche zählt die Hochschule zu den Führenden in seiner Branche. Exzellenz ist heute wichtig, findet mal einen der durchschnittlich sein will.

Sind alle ausgestorben, oder sitzen am Tresen.

Man braucht nicht viel machen, um Menschen zu verstehen, nur beobachten. Matse ist vermutlich super-freundlich, eloquent, charmant und spricht mindestens Englisch fließend. Natürlich hat so einer Einfluss in Geschäft, Politik und Wirtschaft.

Wie alle, die sind wie er – ÜBERRASCHUNG.

Ein bisschen Matse steckt in jedem der Ambition und Willen zur Macht hat. Alter Kaffee, eiß-kaltes Wasser. Auf die Nerven geht die Berichterstattung. Die Prachtexemplare wirken provinziell, beschämt dreht man den Kopf zur Seite, geht immer ums Gleiche:

„Ich-ich-ich-und-ich-ich-und-ich!“

Kontaktiere meinem Kumpel F., um zu schauen, ob ich allein mit meiner Sicht bin. Flott schreibt er zurück; sieht’s ganz ähnlich. „Die Causa Döpfner nervt“, Gott sei Dank, denke ich, „können weg, diese Brüder“, sieht‘s wie ich, aber irgendetwas wurmt mich.

Ist’s die bloße Existenz der Typen?

Die Reaktionen der Medien, oder unsere Öffentlichkeit selbst, die sich in Deutschland so gerne empört, so viel mehr und lieber, als in anderen Ländern? Keine Ahnung. Ich seh‘ mir das Bild an, stell‘ im Geiste Benjamin von Stuckrad-Barre dazu.

„Tolles Team, mit Friede als Grande Dame!“,

denke ich, mache Fotos und schmeiß‘ gedankenverloren die ausgelesene Zeitung in den Müll. Was machen Zivilisationen, Gesellschaften, Familien, Menschen, Verleger, Journalisten und Künstler, wenn sie den Zenit erreichen. Haben sie Antworten auf

„why, what, how?“

Mussten sie ihre Kurse korrigieren, gar ändern? Haben sich Umgebung, Motivation, gar sie selbst währenddessen verändert? Waren / sind sie sich dessen bewusst? Stelle mir das spannend vor, du zählst zu den TOP 5% in Sachen Einkommen in Zentral-Europa,

der voll entwickelten alten 1.Welt.

Und nun? Was machen, wenn man auf dem Gipfel des Prophetenberges landet? Nicht selten drängt sich mir ein Gedanke von Tristesse auf, jene Leere, die immer wächst, wenn „warum, was und wozu“ wenig klar, wenig scharfe Kanten besitzen, stattdessen,

weich VR-geränderte Körper

geworden sind, die sich wolkengleich in Zeitlupe verändern, vollgesogen mit Reichtum, Wachstum, Kultur, Bildung, Besitz und Macht, als wüssten sie‘s vor uns, dass sie sich abregnen müssen, weswegen sie nie fest, stabil, statisch sein können, wie‘s Heraklit vor 2500 Jahren prophezeite:

Alles fließt!

Find’s spannend genug, das eigene Schiff zu navigieren. Kohle hat mein Interesse nicht, wenngleich der Ausstieg noch nicht vollzogen ist. Der eigene Wertekompass braucht genug Aufmerksamkeit. Über andere urteilen, um sich besser zu fühlen?

Hauptsache die Renten sind sicher…