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30.Juli – Hawaii – Odyssee 2023

Hab jetzt Urlaub … ich grübelte lange, was machen, wohin und so … bin irgendwie unschlüssig, auf der einen Seite würde ich gerne weg, auf der anderen Seite ist Klimakrise und mein schlechtes Gewissen.

Vor mehr als 30 Jahren entschied ich

niemals in die USA zu reisen … viele meiner Freunde rieten mir, dennoch hinzufahren … atemberaubend, Landschaft, Frisco, Kunst, Detroit, Los Angeles, New-York, diese Weiten etc. …. ich kann aus ethisch-moralischen Gründen nicht hin …

ist ‘ne lange Geschichte …

als Standardantwort, um das Thema in Unterhaltungen höflich abzuschließen, sag ich Dinge wie … die US-Amerikaner und ich haben unterschiedliche Werte … das klingt seriös … meist kommen Antworten zurück wie …. das es auch andere Länder gibt, auf die das eventuell zutrifft …

leichten Fußes bejahe ich das immer …

mit einem ähnlich schmerzhaftem Lächeln, wie mein Deutschlehrer, wenn er mir eines meiner Diktate wiedergab, in dem ich gerade mal … ausreichend war … vor 20 Jahren weitete ich mein Reise-Embargo auf Gesamt-Asien aus … Russland und Türkei folgten …

ich war meiner Zeit voraus …

in den letzten Jahren wuchs die Liste weiter an … bis … ja, bis am Ende nur Europa übrig blieb … leicht fiel mir das nicht … einer meiner großen Teenager-Träume war ja das magische Hawaii … nicht nur wegen Surfen und TV-Serie Magnum …

doch selbst mit größtem Seufzen …

musste ich eingestehen, das es in diesem Leben wohl nichts mehr mit meiner Hawaii-Reise wird … nicht nur, weil die Inselgruppe von den USA annektiert wurde … weswegen sie automatisch unters Embargo fällt … dazu kommt noch, dass ich Flugreisen länger als drei Stunden vermeide …

weswegen ich ein Freund von Direktflügen bin …

einer meiner Erklärungen und Verteidigungen gegenüber Freunden ist, dass es mein Europa-Solidaritätsbeitrag ist … manche lachen … obwohl es mir ernst damit ist … ich zahle gerne für anderer Leute Arbeitsplätze,

solange ich‘s mir leisten kann …

Vor 25 Jahren hatte ich dann Glück … Hawaii kam zu mir … ich saß in Breidscheid bei Adenau, im Herzen der Hocheifel … ich war mit Wissenschaftlern unterwegs … wir erforschten das ländliche Leben in der Hocheifel, die „früher“ …

als Armenhaus Deutschlands galt …

wie das Leben vom lokalen Tourismus beeinflusst wird … welche Auswirkungen angepasstes Verhalten und Kommunikation auf geistiges Wachstum, sowie Partnerschaft haben … unser Labor stellten wir im Gasthof „Zum Hannes“ auf … es gab hier eine wunderbare Mischung geeigneter Probanden …

Bei Single-Frauen / Männern aller Altersklassen …

sah es anders aus … hier wird es mit zunehmendem Alter schwieriger … der osmotische Druck, oder Unterdruck, je nach Betrachtung … in dieser Gegend … eine Kombination aus sozialem Status, äußerer Attraktivität, Haardichte, sowie Bekanntheitsgrad … nimmt exponentiell zu … weswegen Exemplare dieser Gruppen

kaum auffindbar sind …

Single-Frauen / Männer über 40 … sind sogar so schwer zu finden, dass wir mit attraktiven Studentinnen bewaffnet dazu übergingen, uns in den Ortschaften durch zu klingeln … Gott sei Dank wurden wir glückliche Opfer Mütterchen / Väterchen Zufalls …

wir saßen gerade zu Tisch …

auf der Terrasse des besagten Gasthofs „Zum Hannes“, der sich vor einigen Jahren mit dem passenderen Namen „Bistro Cockpit“ umbenannte, der seine Restauration damals selbst „Schnellrestaurant“ nannte … eine Bezeichnung, die ich nie wieder sah … es war gegen Abend, zwischen 19 und 20 Uhr …

ich aß Gourmet-Schnitzel …

Trank ein lokales Pils … da kam unser Eifelprinz angeflogen … hagere 1,88m hatte ihn die Natur hochschießen lassen … blutarm arbeitsscheu, so wie wir … selbst die äußerst eng geschnittene Jeans hing ihm wie eine luftig flatternde Gardine um die dünnen Trommelstöcke, die Mediziner als Beine identifiziert hätten …

dunkelblond, mit Schnurrbart …

eine Mischung aus Bismarck, Hindenburg und Lemmy Kilmister von Motörhead … halb nach hinten, zur Seite gekämmte Haare … wir konnten nicht eindeutig identifizieren, ob es Pomade, Gel, Schweiß oder Haaröl war … oder eine Mischung aus Allem .. seine Bürste kringelte sich wie Schweineschwänze, wenn es ihnen gut geht …

unbeschreiblich lange Arme …

wunderbar blass und dünnhäutig, wie man es nur bei Leptosomern findet … man meinte das Blut durch die transparente Haut in den Adern pochen zu sehen … Körperfettanteil unter acht Prozent, flüsterte ich … Schultern breit wie die Hüfte …

vielleicht Mitte vierzig …

große pockennarbige, leicht gerötete Nase … salatblattgroße Ohren … grau-blaue verträumte Augen, die verzweifelt Punkte in der Unendlichkeit suchten … sorgfältig gereifte mäandernde Äderchen auf beiden Wangen, die ans Zweistromland, oder ans Flussdelta des Nils erinnern …

in der rechten Hand …

eine elegante lange weiße Zigarette der Marke Dunhill Menthol … und … als Krönung von diesem unbeschreiblichen Ensemble … ein farbenfrohes Hawaii-Hemd … weswegen wir ihn ab sofort „Hawaii-Hemd-Ede“ oder „den Hawaiianer“ nannten …

nach gleichnamigem Roman von Mario Puzo …

leise, still, geradezu unsichtbar schwebte er an uns vorbei … stellte sich unauffällig in die Schlange vor der Theke, die zum Selbstservice einlud … äußerst praktisch … nickte kaum merklich der Bedienung zu … sprach keinen Ton …

selbst dann nicht …

als man genauso verschwörerisch ein 0,33er Königsbacher Pils über den Tisch schob … zwei Tische neben uns Platz nahm … trotz luftiger 15 Grad trug ich eine Jacke überm Pullover, während unser Hawaiianer …

mit seinem buntbedrucktem Fetzen Stoff …

verzweifelten Widerstand gegen die frische Waldluft leistete, die sich zum Abend die Hänge herunterwälzt … ganz bei sich und seinem Pils, nippte er das bauchige Fläschchen leer … ein zufriedener Gesichtsausdruck breitete sich langsam auf seinem durstigen und müden Gesicht aus …

das Zittern seiner Hände …

ließ nach, als er das zweite Bierchen leerte … was waren wir erleichtert, diese Frohnatur untersuchen zu dürfen … Totenstille herrschte auf der Terrasse … unser Eifelprinz war der Nabel der Welt  … lange beratschlagten wir, was er essen könnte … Wetten wurden abgeschlossen …

Currywurst Pommes lag vorne …

ganz eindeutig … nach der vierten Flasche Königsbacher ließ ich die Ohren hängen, während der vollbärtige Psychologe neben mir zufrieden lächelte … seine Erfahrung aus der Suchtberatung ließ ihn messerscharfe Diagnosen ausstellen … er war sich seiner Sache sicher … so kam es …

und wir sahen, dass es gut war …

wie sich unser Hawaiianer neu anstellte, um das nächste Fläschchen zu empfangen … unermüdlich, präzise wie ein Metronom, den ich hasste aufzuziehen, bevor mein Gitarrenlehrer mich belehrte … wie Big-Ben in London, der zur Tea-Time ruft … wie die Rolex Yacht-Master am Arm von Giovanni Agnelli, als er zu Lebzeiten sein Segelboot „Agneta“ durchs Mittelmeer manövrierte

und gegen Mittag Champagner servieren ließ …

mit eben dieser Zuverlässigkeit verspeiste unser Eifelprinz seine sieben Königsbacher … knabberte an einer Schachtel Dunnhill-Menthol, mit weißem Filter, die in Eleganz den sorgfältig in Schatten gehaltenen Extremitäten unseres Hawaiianers in nichts nachstanden …

den wir mit Begeisterung dabei beobachteten …

wie er die Flaschen … ähnlich wie seine Katze, die wir für die Haare auf seiner Jeans verantwortlich machten … sanft anstuppste … wenn die Finger seiner untätigen Hand … nichts trugen … mit nichts spielten … wenn er das Etikette der Flaschen liebevoll streichelte … wie Krystian Zimerman …

der seinen Flügel bei Beethovens …

fünftem Klavierkonzert sachte berührt … wie er dazwischen mit den Fingern sanft, geräuschlos auf der Klaviatur des Plastiktischs spielte … vom Trommeln ins rhythmische wellenförmige auf.- und ab-bewegen der Finger wechselte …

als zeichneten sie das nicht anwesende Mittelmeer nach …

bis die Zeit reif für den nächsten Schluck war … alle Flaschen drehte er behutsam … wir vermuteten, um jeglicher Erwärmung seiner langliedrigen Finger vorzubeugen … unsere Messreihe ergab eine Präzision, die über Stunden nur Sekunden abwich …

mit Hochachtung schrieben wir Berichte …

überglücklich, ihn jeden Tag begrüßen zu dürfen … doch stellte sich bald heraus, dass er nicht, wie vermutet zur Kategorie Single-Mann über vierzig zählte, sondern im Gegenteil … verheiratet zu sein schien … was unsere Auswertung durcheinander brachte … eines Tages sahen wir ihn Hand-in-Hand mit seiner Braut spazieren gehen …

doch diese Beobachtungen teilen wir ein anderes Mal …