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Mallorca Interview Teil2 – Odyssee 2020 CW27

5.Juli – seit elf Tagen lebte D wieder zuhause. Nachdem er mehrere Tage gegen eine Armada Flöhe kämpfte, die ihm seine Beine mit ihrem gewaltigen Appetit derart gründlich abgenagt hatten, das überall Messer und Gabel im Beinfleisch steckten, setzte sich der Heilungsprozess langsam aber stetig fort, so dass er wieder klarer Denken und das Schreiben fortsetzte.

In einer barock geschriebenen Whattsapp-Nachricht schlug Frau Dr. Claudia Meyer-Paradiso vor, das Interview fortzusetzen, um weiterzukommen, aber auch, um mehr über den Fortschritt seines neuen Buches zu erfahren, wie sich hinterher herausstellte. Mit Café, Zigarette, sowie seinem Headset bewaffnet, saß D vor dem Laptop und freute sich auf das Gespräch mit der quirligen Journalistin.

CMP: Guten Morgen, wie geht es dir?

DT: Hola, ganz okay und selbst?

CMP: Hervorragend, wie ist deine Woche gewesen?

DT: Appetitlich, wenn ich im Namen der Flöhe sprechen darf, die mich seit Ankunft auf ihrer Speisekarte haben.

CMP: Oh! Das tut mir leid, konntest du bei dem Juckreiz denn schlafen?

DT: Doch-doch, das geht schon, wenngleich meine Beine wirklich abenteuerlich aussehen….

CMP: Kann ich mir vorstellen. Fühlst du dich gut genug, um unser Interview fortzusetzen?

DT: Ist kein Problem, willst du dort weitermachen, wo wir aufgehört hatten?

CMP: Natürlich, zum Auflockern beginnen wir mit ein paar einfachen Fragen, einverstanden?

DT: Okay!

CMP: Hallo Herr Tango, um unser Interview fortzusetzen, stelle ich Ihnen ein paar Fragen zur Auflockerung.

DT: Gerne, warum nicht?

CMP: Wein oder Bier?

DT: Wein

CMP: Berge oder Meer?

DT: Beides.

CMP: Glücklich oder unglücklich?

DT: Unglücklich!

CMP: Halbvoll oder halbleer Glastyp?

DT: Halbvoll!

CMP: Das widerspricht sich, weil……

DT: Tut es nicht, weiter…..

CMP: Dann müssen wir gleich nochmal darauf zurückkommen…..

DT: Okay, weiter-weiter….

CMP: Raucher oder Nichtraucher?

DT: Nichtraucher, der hin und wieder raucht

CMP: Politisch links, oder rechts?

DT: Natürlich links……

CMP: Warum ist das natürlich?

DT: Weil ein solidarisch-denkender, halbwegs gebildeter, kultivierter und neugieriger Mensch unmöglich rechts sein kann, weil dort jegliche Form von Zukunft und Kunst verhungert!

CMP: Wow! Was wäre, wenn ich rechts oder faschistisch wäre?

DT: Nichts, ist ihr gutes Recht zu wählen was sie wollen, nennt sich Demokratie, glaube ich.

CMP: Könnten Sie eine faschistische, konservativ-rechts denkende Frau küssen?

DT: Natürlich! Wer bin ich, über Menschen zu urteilen und ihre anderen positiven Eigenschaften auszublenden? Boris Becker war ein wunderbarer Ausnahmesportler im Tennis und später im Geschäftsleben weniger erfolgreich als Warren Buffet. Niemand kann überall ein Supertalent sein…..

CMP: Lassen Sie uns zu ihrem Widerspruch zurückkommen…..

DT: Okay.

CMP: Wie können sie „unglücklich“ wählen, aber ein „Halbvollglastyp“ sein?

DT: Weil ich „unglücklich“ produktiver und kreativer bin, als glücklich. Außerdem weiß ich nicht einmal was Glück sein soll – ich gehe daher davon aus, dass es mich faul und bequem, wie das Paradies macht – also Zustände und Orte, die ich nicht mag.

CMP: Sie wissen nicht was Glück ist?

DT: Nein, weiß ich nicht, was nicht heißt, dass ich keine glücklichen Momente erlebe, aber das ist etwas gänzlich anderes……

CMP: Schlagen wir die Brücke, zu unserem Gespräch von vor einer Woche….

DT: Gerne!

CMP: Sie sprachen von Quantenphysik, Schrödingers Katze und dass für Sie die Literatur das wahre Leben ist, weil Sie Erlebtes oder Nicht-Erlebtes ohne Zeitlimitierung in jeder möglichen Tiefe schreiben, also leben können – wie sollen wir uns das vorstellen und welche Verbindung sehen Sie zu ihrem aktuellen Werk?

DT: Sie können nicht agieren und sich dessen darüber, im gleichen Atemzug bewusst sein, in der Literatur kann ich das, daher ist es für mich dass wahre Leben, deswegen ist es für Schreiberlinge so wichtig, zu reisen, den ohne neue Reize, können sie zwar wie Proust im Bett bleiben und alltägliche Dinge bis in den Molekularbereich genau beschreiben, aber irgendwann ist der Kelch ausgetrunken – reisen, ist eine schöne Art, sein Fass wieder und wieder zum Überlaufen zu bringen.

CMP: Sie haben nichts zu meiner Frage zu ihrem nächsten Buch gesagt, reiner Zufall oder Absicht?

DT: Beides ein wenig……

CMP: Wollen Sie ihren möglichen potenziellen Lesern nicht einen Vorgeschmack geben?

DT: Eigentlich nicht…..vielleicht ändere ich nochmal alles, und dann?

CMP: Aber das Thema bleibt doch das Gleiche, oder könnte es sein, dass Sie auch das über den Haufen werfen?

DT: Nein! Also gut, es wird ein Wirtschaftskrimi, der sehr gut in die aktuelle Zeit passt…..

CMP: Warum?

DT: Weil Kapitalismus, der sich ausschließlich auf wirtschaftliches Wachstum konzentriert, die Mehrheit der Menschen in die Mittellosigkeit zwingt und eine Minderheit unermesslich reich werden lässt, inklusive dem vollständigen Versagen von Ethik und Moral. Daher muss es andere Formen des Wachstums geben und über das Bürgergeld ernsthaft gesprochen werden. Wie soll das Menschsein der Zukunft aussehen, wenn uns Maschinen die Mehrheit abnimmt? Sprechen Sie mit Richard David Precht und Harald Welzer, oder lesen und hören Sie, was die zu sagen haben – die bringen diese Themen sehr gut auf den Punkt.

CMP: Interessant, das werde ich machen! Zurück zu ihrem Buch, ein Wirtschaftskrimi sagen Sie? Wo spielt er und wie heißt der Protagonist?

DT: Das werde ich Ihnen nicht sagen, falls ich noch Änderungen vornehme.

CMP: Wann wird es erscheinen?

DT: Mein Verlag meint Ende Juli, ich denke es wird vermutlich eher August.

CMP: Warum geben Sie uns nicht mehr Hinweise, mögen Sie keine Vorfreude?

DT: Es programmiert und erzeugt Erwartungen, nein, ich bin kein Freund von Erwartungen aber ein großer Befürworter vom jungfräulichen Erleben, im eigentlichen Sinne – stellen Sie sich vor, sie gehen in ein Museum und da steht vor jedem Kunstwerk, was es ausdrückt – Eine Katastrophe, weil dann raubt man Ihnen ihre intime Eigenbetrachtung, weil man ihren Geist bereits kontaminierte…….

CMP: Aber in ganz vielen Ausstellungen macht man das so……

DT: Ich weiß, aber deswegen muss es nicht gut oder richtig sein, nur weil alle es machen, geschweige muss man es nachmachen; ich habe mit einigen Kuratoren Streitgespräche gehabt, ohne Namen zu nennen…

CMP: Schade, mich hätte interessiert, wen Sie da aufs Korn genommen haben…..

DT: Ich kann Ihnen aber die Antwort geben, mit der mich einer der Herrschafften, es war übrigens keine Frauschafft dabei, beglückte….

CMP: Sagen Sie schon……

DT: Er schrieb, dass die Besucher ihre Beschreibungen sehr schätzen würden, weil es Orientierung gäbe…

CMP: Das finde ich auch, und das ist doch etwas Gutes, finden Sie nicht?

DT: Nein, natürlich NICHT! Darum geht es doch in der Kunst, um Freiheit, darum, eigene Erlebnisse, sich der eigenen Phantasie, der eigenen Empfindung hinzugeben – meine unbefleckte jungfräuliche Sicht töten Sie, noch bevor sie geboren ist, indem man etwas vorwegnimmt und es beschreibt – Kuratoren und ihre Ausstellungen haben einen Bildungsauftrag gegenüber dem Bürger – den die Mehrheit von völlig verfehlt, jedenfalls in Deutschland…..wollen wir an dieser Stelle pausieren?

CMP: Gerne! Haben Sie vielen Dank Herr Tango – was werden Sie heute noch machen?

DT: Jetzt einen Apéro zu mir nehmen und schreiben – und Sie?

CMP: Essen zubereiten….

DT: Na dann bonne app…..et à bientôt

Klacken in der Leitung. D legt auf, schenkt sich Rotwein ein und beginnt weiterzuschreiben.

 

Blume, Mensch, Hologram

Ich denke zu viel. Gestern hab ich es gemerkt. Ich hatte eine SMS bekommen. Das passierte immer wieder. Ich muss gestehen, dass ich lieber schreibe, als telefoniere. Mir fehlt die Körpersprache meines Gegenübers. Auch seine Stimme brauche ich. Wenn ich nur einen Apparat in der Hand halte, der zu mir spricht, dann habe ich das Gefühl ich spreche mit einer Maschine. Die Stimmen klingen mir oft auch völlig befremdlich. Außerdem spuken mir immer Worte im Kopf herum, dass ich manchmal ein Komisches erwische. Ich unterstelle mir, dass ich das nur mache, um ein bisschen Spaß zu haben. Wenn das so ist, wäre das ziemlich egoistisch, besonders wenn der Andere davon nichts weiß. Im Grunde ist es sogar unfreundlich, richtig rücksichtslos. Deswegen schreibe ich lieber. Das ist für alle besser. Schreiben ist für mich lebenswichtig. Es hat mich schon oft gerettet. Allerdings muss ich sehr aufpassen. Wenn ich zu viel schreibe, oder zu viel darüber nachgrüble, was ich schreiben möchte und keinen Ausgleich habe, dann mutiere ich irgendwann zu einem schrägen, wortpuristischen Einsiedlerkrebs. Wenn ich mich dann verwandelt habe,  das geschieht meistens völlig unbemerkt, so unbemerkt, dass ich es nicht mal selber merke, erschrecke ich mich irgendwann, weil ich Offensichtliches, nicht mehr verstehe. Dann weiß ich, dass es wieder passiert ist. Gestern war das so und ich musste sofort an Peter Bichsel und an „Ein Tisch ist ein Tisch“ denken.

Gerade hatte ich Maria-Antonia angerufen und ihr zum Geburtstag gratuliert, als kurz darauf das Handy vibrierte und anfing unruhig vor sich hinzublinken. Ich drückte an dem Gerät herum, bis das Blinken aufhörte und mich eine neue Nachricht ansprang:

„Hallo Don; deine Post aus Ottensen ist zurückgekommen!!!! Gruß Stefanie“

Ich las die Worte nochmal und nochmal. Nichts. Rein gar nichts. Es war nichts zu machen. Ich verstand nicht was das bedeutete. Ich schaute mir die Worte einzeln an. Das ging gut. Die Botschaft blieb mir jedoch verborgen. Und außerdem, wer war Stefanie?

Hatte ich vor kurzem Post verschickt? Ich erinnerte mich nicht. Hatte diese Stefanie mir Post zuschicken wollen, die mir nicht zugestellt werden konnte und deswegen kam sie zu ihr zurück? Ich wohne ja, wo ich wohne. Also, will sagen, ich bin ja da. Mein Name steht auf dem Postfach. Der Postbote kennt mich. Warum sollte er mir was vorenthalten? Oder mir etwas nicht zustellen wollen, wenn es etwas für mich zum Zustellen gab? Ich kapierte es nicht. Ich antwortete auf die SMS so unmissverständlich, wie es möglich war.

„Ich habe keine Ahnung, warum die Post zurückgekommen ist. Ich wohne hier seit einigen Jahren. Eben habe ich nachgesehen: Mein Briefkasten ist noch da. So wie ich.“

Vermutlich werde ich bald Post von Stefanie bekommen. Ich weiß zwar immer noch nicht, wer sie ist, aber ich finde es noch taktloser nachzufragen. Ich bin vergesslich. Es hat auch nichts mit Wichtigkeit zu tun, obwohl mir das ein paar Frauen gesagt, sogar vorgeworfen haben. Mein Unbewusstes macht gar keine Unterschiede. Jedenfalls nicht, das ich mir dessen bewusst bin. Es schert alles über ein und denselben Kamm. Ich glaube einfach, dass es sich für Manche unangenehm anfühlt, wenn ich vergesse mich an sie zu erinnern. Doch für ihre Gefühle bin ich nicht schuld. Sie fühlen sich so, weil sie in mein-vergesslich-sein etwas anderes hineininterpretieren. Das wäre ungefähr so, als wenn ich Stefanie vorwerfen würde sich nicht genug Mühe mit meiner Post gegeben zu haben.

Diese ganze Schose erinnerte mich auch daran, dass ich seit Monaten laufen will. Irgendwie hat das oft nicht geklappt. Ich habe es immer wieder verschoben. Wieder und wieder. Erst um Tage, dann um Wochen. Ich glaube nämlich, dass ich auch zu viel rumsitze. Das ist nicht gut für mich. Bewegung ist wichtig. Bevor ich gestern einschlief, nahm ich mir fest vor, es am nächsten Tag zu tun. Dieser Tag ist heute. Und tatsächlich: ich bin gelaufen. Das war super. Es war zwar sehr grau und windig, aber ich fühlte, wie der frische Sauerstoff meinen Körper in Wallung brachte. Ein tolles Gefühl. Beim Laufen kamen mir auch viele neue Ideen.

Ich erinnerte mich daran, dass ich mich mehr um Giulia kümmern wollte. Sie ist eine interessante Frau. Mit ihr habe ich gerade ein Déjà-vu. Es ist wie bei Alessandra und Maya. Wir Menschen leben manchmal so vor uns hin, dass wir gar nicht merken, dass wir uns von unserem Selbst entfernt haben. Dafür haben wir richtiges Talent. Sowas gelang uns über Jahre. Wir konnten, von unserem Selbst ganz unbemerkt, in unserem all-inklusive Hologramm leben, ohne etwas zu spüren und ohne zu merken dass wir uns nichts Gutes mehr tun.

Als ich die Elbe erreicht hatte, erinnerte ich mich an Mayas Worte, als wir auf Helgoland waren. Sie findet, dass ich mich in manchen Geschichten über Vieles lustig mache. So über das Leben, die Menschen und das alles. Ich würde keine Lösungen haben. Oder Alternativen zeigen und sowas. Sich nur lustig zu machen, ohne dem Leser etwas anzubieten, fände sie etwas wenig. Maya’s Meinung ist mir sehr wichtig. Ich mag Maya sehr, auch wenn sie über Manches anders denkt als ich. Das gerade finde ich so schön an ihr. Alles was sie sagt, hat Gewicht. Wirklich alles.

Ich lief an einer Kirche vorbei. Ein paar Uniformierte legten einen Kranz nieder, was mich daran erinnerte, dass wir Volkstrauertag hatten. Maya’s Worte klingelten mir noch in den Ohren. Wer hatte denn Antworten für das Leben, außer dass Eigene zu leben? Ich bin ein einfacher Mann. Ich lache über mich und skurrile Dinge genauso, wie über Dinge die ich nicht verstehe. Ich habe keine Angst zu fragen, auch wenn es oft ist. Je länger ich darüber nachdachte, fand ich schon, dass ich auch Ideen hatte. Vielleicht drücke ich mich nicht immer gut aus. Das könnte es sein. Davon mal abgesehen finde ich, dass Humor eine ganz passable Weise ist, die Welt zu betrachten. Ich möchte nämlich kein Dauer-Melancholiker sein.

Ich habe zwei Freunde die auch schreiben. Martin hat schon zweimal versucht sich umzubringen und Bernd trinkt. So wollte ich nicht sein. Richtiger Schwermut ist wirklich sehr anstrengend. Manisch Depressive kenne ich. Mal fliegen sie mir was vor, das ich denke ich bin ein Einzeller und mal trauern sie und verscharren sich, dass ich an Ramses und das Tal der Könige denke. Von einem Extrem ins Nächste. Das zerrt an den Kräften.

Während ich so vor mich hinlief, dachte ich mir, dass wir unser Leben nur ändern, wenn ein Meteorit einschlägt. Oder wenn wir unerwartet krank werden, oder wenn uns jemand wachrüttelt, vorausgesetzt, wir ließen es zu.

Mit Giulia bin ich sehr gerne zusammen. Ich habe sie gerne bei mir. Sie hat ein tolles Lachen und einen trockenen Humor, den sie manchmal mit Chili würzt. Letztens haben wir im Café de Paris gefrühstückt. Sie hatte ein Strickkleid an, was ihre schönen langen Beine betonte. Sie sah toll aus. Ich fühlte mich wie Wile E Coyote, der mit gewetztem Messer hinter dem Roadrunner her ist. Wenn es Giulia gut geht, kann sie das blühende Leben sein. Im Cafe de Paris sah sie auch so aus.  Seit kurzer Zeit ist sie leider mehr eine traurige Blume, deren Blätter schwer unter den dicken Tropfen der Melancholie und Schwermütigkeit zu tragen haben, mit dem ihr Leben sie unkontrolliert besprenkelt und gießt. Ich glaube es gibt ein paar Dinge die sie stören. Wenn dann der Herbst kommt, mit grauer Wettersuppe, mit Wind & Kälte, wenn die Unzufriedenheit wuchert und den Tisch verziert, wenn munter durch die Luft vagabundierende Erkältungsviren erst an unserer Nase, dann an der Tür klopften, dann sind wir für-war leichte Beute.

Ich war auf dem Rückweg und lief das kurze Stück am Indochine vorbei, wo ich gestern ein paar Fotos gemacht hatte. Dann rannte ich den Neumühler Kirchenweg hoch und kam wieder an der Kirche vorbei. Der verlassene Kranz bewachte traurig das feuchte, metallischglänzende Mahnmal. Vor langer Zeit hatte man es zu Ehren der Gefallenen aufgestellt. Gerade warf ich noch einen kurzen Blick, sah den gesenkten Blick des Marmors, als es durch mich hindurch fuhr: Mich ärgert es, das Giulia so vor sich her mäandert und von Entzündungen, Kopfschmerzen und akuter Schlappheit gebeutelt ist. Das fing an, mich richtig zu nerven.

„Die werde ich mir schnappen. Ich werde mich um sie kümmern, aber richtig. Nicht mehr reden: Handeln. Klar, wenn sie nichts ändern will, nicht offen für Veränderung ist, dann lass ich sie weitermachen und weiterziehen. Aber ich werde ihr ein paar Sachen zeigen, ein paar Dinge anbieten. Ha, das wäre ja wohl gelacht, wenn ich die nicht aus ihrem Kokon und Dornröschenschlaf gerissen bekomme!“

Ich fragte mich, warum ich das machen wollte. Wozu? Warum?  Ist es Neugier? Oder war es etwas anderes? Ich hatte den letzten Kilometer vor mir. Buntes, verklebtes Laub auf dem Boden. Der Belag wechselte ständig. Es war ziemlich rutschig. Ich musste aufpassen. Ich horchte weiter und weiter. Nichts. Da plötzlich sah ich eine stille Vorfreude lächeln. Das war es: Es ist Freude und Neugier. Das ist wie Sneak-Preview. Du machst es, ohne zu wissen was herauskommt. Das ist es. Ich bin gespannt, was zum Vorschein kommt. Manchmal gab es die größten Überraschungen. Hin und wieder nahm es ganz unerwartete Formen an, wenn man einen Menschen auspackte. Wenn er neue Facetten an sich fand, die er mochte, vielleicht sogar anfing zu lieben, konnten die tollsten Sachen passieren. Es ist Neugier und Instinkt, gepaart mit Vorahnung. Bei Charlotte, Alessandra und Maya hatte es geklappt. Bei Giulia würde es das auch. Es würde gut werden.

Ich bog um die letzte Ecke und ging den Rest. Ich machte ein paar Atem und Dehnübungen und freute mich auf mein Frühstück, mit Café und wachsweich gekochten Eiern.

Als ich die Tür aufschloss, sah ich im Briefkasten nach. Vielleicht gab es am Sonntag Post von Stefanie. Als ich die Treppe hochging dachte ich an die Geschichte, die ich schreiben wollte. Schon pflückte ich ein paar saftige Worte und sortierte den Inhalt:

„Ich denke zu viel. Gestern habe ich es bemerkt.“