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Bananen-Republik – Odyssee 2020 CW47

22.November – seit wenigen Tagen war D wieder zuhause in Toulouse. Es war nicht nur der mediterrane Duft der Pinien und das höhere Ozon-Niveau, das ihn lächeln ließ, sondern war es vielmehr auch die etwas gelassenere Art mit dem Leben umzugehen – und eben Allem, was so dazu gehörte, Südeuropa eben.

D bemerkte zum zweiten Mal, wie rigoros auf der einen Seite die Fünfte Republik fuhrwerken konnte, allen voran Manu Bonaparte, der all seine Compatrioten zuhause einschloss, um Gesundheits-System und Bürger zu schützen – was diese grundsätzlich goutierten – während auf der anderen Seite, die feudal-zentralistische Administration mit ihren ausdruckbaren und digitalen Ausnahme-Bescheinigungen jegliche Kreativität der Bürger einlud, ausgelebt zu werden.

Oder in anderen Worten: Wer verdeckte, sowie nicht offensichtliche Flexibilität und Interpretations-Spielräume mit seiner Willenskraft kombinierte, konnte nahezu alles machen, wie vor Corona. Dies, sowie viele hundert unausgesprochene Gründe, ließen D einen besonderen Dialog mit Emmanuel Macron führen, den D insgeheim für den größten europäischen Zampano hielt, dass er ihn sogar als Präsident für Europa vorschlagen könnte, wenn man D endlich Redefreiheit geben würde.

Das Gespräch fand im Geheimen statt – Manu hatte D‘s Nummer durch D’s Lektorin bekommen, die als waschechte Pariserin – nicht zu verwechseln mit den Kondomen – immer noch hervorragende Verbindungen mit der französischen Hauptstadt pflegte und die darin mündeten, dass D letzte Nacht eine Whattsapp-Nachricht von Monsieur Presidente Manu bekam. Zuerst schaltete D nicht, bis er begriff, dass er den Bewohner des Elysee-Palastes persönlich am buchstäblichen Rohr hatte. Und so geschah es:

M: Salut Don, wie geht es dir?

D: Wer bist du denn?

M: Na ich, Emmanuel Macron….

D: Im Ernst? Woher hast du denn meine Nummer? Können wir auf Videocall wechseln, damit ich dich sehe? Ich verspreche, dass ich keine Screenshots mache…

M: Na klar, warte…

(Nach wenigen Sekunden nimmt D den Videocall-Request von Emmanuel Macron an)

D. Wau, ich glaub es nicht, du bist es wirklich…

M: Na klar…aber zurück zu deiner Frage: Du kannst dir vorstellen, dass ich Menschen im Team habe, die mir Nummern zuspielen, wenn ich sie brauche, oder?

D: Klar, wahrscheinlich kannst du jede Nummer haben, wenn du willst…

M. Vermutlich…kannst du dir vorstellen, warum ich gerade dich kontaktiere?

D: Ganz ehrlich? Keine Ahnung. Du hast doch so viel schlaue Leute um dich herum, warum dann gerade ich?

M: Ich möchte von einem Ausländer hören, der verschiedene Kulturen kennt, wie es sich bei uns lebt – UND – ich möchte wissen, was du von meiner Ausgangssperre und unseren Corona-Maßnahmen hälst.

D: Oha! Da sprichst du aber gleich ziemlich dicke Brocken an; können wir mit dem Ersten Thema beginnen? Irgendwie fänd ich das netter…

M: Ehrlich gesagt wäre mir Zweites lieber, aber wie du wünschst…

D: Nett von dir! Also: Ich bin richtig happy bei dir in Frankreich, weißt du warum?

M: Wegen unserer Kultur und Sprache?

D: Nicht schlecht, sehr dicht dran…aber nein…möchtest du weiter raten, oder soll ich sagen?

M: Hm, warte: Auch ich mag Ratespiele, aber sag es keinem weiter. Also: Weil unser Land so schön ist und wir immer noch Wert auf Essen und Trinken legen?

D: Was soll ich sagen, alle Argumente sind richtig…okay, ich löse es auf: Weil ich mein Leben lang schon in Kuba oder der Karibik leben wollte!

M: Wie bitte? Aber was machst du dann bei uns?

D: Ich erkläre es dir: Kuba und Karibik sind für mich Ausdruck für etwas, was ich mir schon als Kind wünschte, nämlich in einer Bananenrepublik zu leben…

M: Entschuldige bitte, aber sind wir in der Fünften Republik nicht etwas gänzlich anderes als…?

(D unterbricht Emmanuel, der das nicht gewohnt ist, weswegen er überrascht in die Kamera schaut)

D: Halt halt, lass mich zuerst etwas Entscheidendes auflösen: Bananenrepubliken sind laut Wikipedia ein Begriff von den USA, den man abfällig benutzte, weil manch ein lateinamerikanischer Staat oftmals direkt oder indirekt von Kapitalgebern abhängig wurde, in jener Zeit eben Großimporteure für Früchte.

Heute aber, wo wir ALLE in Europa vom internationalen Kapital abhängig sind, ihr in Frankreich nicht minder als die Deutschen, wenngleich bei euch eher Chateaus auf dem Speiseplan der Chinesen stehen, während man bei den Allemannen eher Großindustrie und Waffenhersteller reichlich verschlingt…

(Der Präsident der fünften französischen Republik blickt ein wenig angesäuert und verwirrt drein)

M: Ich bin mir gerade nicht sicher, ob ich dich richtige verstehe…

D: Das sehe ich…schau, ich lebe in Toulouse, genauer gesagt…

M: Ich weiß…

D: Ach tatsächlich?

M: Ich bin der Präsident, also, ich denke, ich kann Dinge herausfinden lassen…

D: Stimmt, hab ich vergessen…also: Wenn ich diesen Begriff benutze, dann meint er für mich etwas Schönes, während du den Begriff bestimmt negativ aufgefasst hast, nicht wahr…?

M: Kann man wohl sagen…

D: Dachte ich mir…also: Hier in der Region Toulouse ist das Wetter sonnig, sagen wir mediterran, es gibt gute Weine in Hülle und Fülle, gutes Essen, man kleidet sich ein wenig wie in der Karibik, besonders die Frauen und während man in Lateinamerika noch etwas folkloristischer unterwegs ist, gibt es ein höheres Maß an Ordnung, die immerhin 55% Prozent deiner Bürger Arbeit gibt, was man für das 21.Jahrhundert feudal und barock, oder sozial nennen kann – sozusagen eine first Class Bananenrepublik.

M: Erzähl weiter…ich ahne zu verstehen…

D: Ihr habt eine großzügige Administration – eben die famosen 55% des Staatshaushalt – die nicht sehr effizient ist, während ihr im gleichen Atemzug den Menschen ausreichend Flexibilität gebt, so dass ich mich während deines Confinements mit weniger Freiheit, wohler als in Deutschland fühle, obwohl ich dort freier bin – wenn das mal keine Ode auf eure dritte Republik ist…!

M: Excuse-moi, cher Don, die Fünfte Republik…

D: Komm schon, du weißt es besser als ich: Es ist in Wahrheit die Dritte, in neuen Kleidern, einer vermeintlich Fünften, wenn man von ein paar Kleinigkeiten absieht, wie Präsidentenamtszeit, Kirchen-Unabhängigkeit und staatliches Schulsystem…wenn du wie ich Ironie und Sarkasmus magst…

M: Okay, ich habe dein Gedanken-Konzept verstanden…was aber denkst du…

D: Sorry, das ich wieder unterbreche: Was das Ganze für mich so angenehm macht, ist die Tatsache, dass man wirklich nahezu alles verhandeln kann…weißt du, was ich meine? Es gibt die Rote Linie, an die sich jeder hält, aber in Wahrheit findet das Leben links und rechts davon statt…und wenn ich…

M: Hab ich alles verstanden…was ist denn der Unterschied zu den Deutschen?

D: Wollte ich gerade sagen: Bei den Deutschen ist es ähnlich, nur ist der Abstand zur roten Linie im Alltag kleiner als hier…das macht für mich das Gefühl von Freiheit und Elastizität aus…in jeder Hinsicht!

M: Also lebt es sich in Frankreich besser, als in Deutschland…?

D: Nicht besser, sondern anders! Die Wiese ist nicht grüner, sondern sie sind halt unterschiedlich; ihr habt halt ein paar andere Prioritäten; Deutschland hat sich in den letzten 30 Jahren zu den Mini-USA von Europa entwickelt, wenn man sich die Kapitalhörigkeit anschaut und die Tatsache begreift, dass Deutschland das reichste Land Europas ist, aber die Bürger des Landes zur gleichen Zeit das geringste Vermögen pro Haushalt in Europa besitzen.

Das zeigt schlicht und ergreifend, in welch rasender Geschwindigkeit die Umsätze gestiegen, aber diejenigen, die ihn erwirtschaftet haben, nicht daran teilgehabt hatten – oder in etwas abschreckenderen Worten: Heurschreckenkapitalismus vom Feinsten, à la USA!

M: Auch wir müssen aufpassen, dass uns nicht Ähnliches passiert…

D: Allerdings, in der Bildung seit ihr schon gut dabei, wenn man sich die Semester-Kosten bei einigen Universitäten ansieht…

M: Ich dachte da jetzt eher an unsere Wirtschaft…die Kapitalflucht ist halt auch bei uns ein Thema…

D: Wie überall…so etwas muss geächtet werden…entzieht doch den Bürgern die Staatsbürgerschaft, wenn sie ihre Steuern nicht bei euch zahlen wollen…

M: Gute Idee, wird aber schlecht durchzusetzen sein…

D: Wenn du dich dem annimmst, könnte es Marine das Wasser abgraben…

M: Da ist was dran…ich werde mal mit meinem Team drüber reden…also, ich habe verstanden, dass unsere fünfte Republik aus deiner Sicht eine first class Bananenrepublik ist, die noch die Feudalität der Dritten und Vierten beheimatet, was du im Großen und Ganzen aber gar nicht negativ siehst, hab ich das richtig wiedergegeben…?

D: Perfekt!

M: Dann sag mir mal, in wenigen Worten, was du von unsere C-Politik hälst…

D: Hm, schwieriges Thema…aber so viel vorab: Das Confinement muss schnell weg. Nie wieder darfst du das aussprechen; auch müssen alle Bars und Restaurant wieder auf sein; das Leben muss wieder stattdfinden, eben halt mit Corona; sonst gehen wir alle pleite und du riskierst einen Bürgerkrieg.

Die Menschen nehmen lieber das Risiko auf sich krank zu werden und dabei frei zu bleiben, als in einem Gefängnis zu leben, in dem alle vermeintlich geschützter leben, was wir in Wahrheit nicht tun, wenn du dir die Zahlen anschaust…stärke das Gesundheitssystem…schau es dir bei deinen Nachbarn an; lerne von ihnen…

Wenn du deinen Bürgern wieder volle Freiheit gibst, mit Eigenverantwortung und dem Risiko, so wie vorher, dass man sich Krankheiten einfangen kann, dann werden die Leute das sich zu Herzen nehmen…davon bin ich überzeugt!

M: Ich danke dir! Ich muss jetzt Schluss machen; ist es okay, wenn wir demnächst mal wieder plaudern?

D: Gerne, wenn du mir vorher ein wenig Zeit gibst, dann würdest du mich nicht im Schlafanzug im Bett überraschen, sondern ich könnte ein wenig angemessener gekleidet sein, okay?

(Manu schmunzelt, nickt und winkt, während er sich vom Bildschirm entfernt und selbiger schwarz wird)

Noch mindestens zehn Minuten saß D vor seinem Smartphone, das er auf seinen aufgeklappten Laptop gestellt hatte, um es nicht die ganze Zeit in Händen halten zu müssen. Noch immer konnte er nicht begreifen, dass er mit dem französischen Präsident einen Video-Call hatte.

Während er sich einen Rotwein einschenkte fragte er sich, ob er zu offen und ehrlich gewesen war; aber D wusste es nicht und hörte stattdessen ein wenig klassische Musik, um den Abend ausklingen zu lassen…

 

Spuren im Wind – Odyssee 2020 CW42

18.Oktober – D erinnerte sich an den Geburtstag eines Freundes; und daran, dass es Zeit wurde nach Hellas zu gehen; auch daran, dass er davon absehen wollte, die Welt vollständig aufzuklären und für alles eine Antwort zu finden; es sind Werte wie Unsicherheit, Unkenntnis und Optimismus, die Gefühle wie Gelassenheit und Freiheit gedeihen lassen.

Längst hatten Medien und Regierungen die Macht ihrer Worte, sowie die eigene Verantwortung zu Gunsten der Jagd nach der nächsten Empörungswelle, sowie herbstlichen Begleiterscheinungen, missbraucht, weswegen die Berichterstattungen Furcht und Angst in den Bevölkerungen schürten; wo versteckten sich bloß die Erkenntnisse des eigenen Glücks? Lasst uns nicht ins Bockshorn jagen, von Wörterscharlatanen, die auf Züge der unbekannten Zukunft springen.

Ungeachtet der bewegenden Momente der letzten Monate blieb D fröhlich und gelassen; für ihn war klar, dass weder Welt noch Menschheit untergingen, jedenfalls nicht in den nächsten hundert Jahren, weder durch Wahlen, oder sonstige Versuche, eine Form von vermeintlicher Normalität herzustellen; alles blieb was es schon immer gewesen schien – ein ewiges παντα ρεί – alles fließt; Heraklit sei es gedankt, dass sich niemand fürchten muss.

Und so kam es, dass D wieder ein paar poetische Worte vom Baume der Lyrik pflücken durfte, um sich trotz – oder gerade wegen all der Merkwürdigkeiten, die da draußen herumrumorten – seines endlichen Lebens zu erfreuen, mit all den Sagenhaftigkeiten – und so geschah es:

Spuren im Wind

Ein sonniger Spaziergang durch die verwinkelten Gassen der rosa Stadt Toulouse;

Bäckereien, Zigarettenrauch, lebendige Unterhaltungen und Sonnengefunkel in Weingläsern;

Düfte, Geräusche, Farben und Formen durch die ich schwimme, ständig drohe darin unterzugehen;

versuche alles wahrhaftig mit dem Innersten zu berühren, auf Umgekehrtes dabei hoffend;

Blicke die sich kreuzen, taxieren und abwarten, suchend, ohne zu wissen wieso und wonach;

süßer Müßiggang mit mir vorüberschreitend, lasse mich treiben, von der Sonne wärmen;

und bleibe unfähig, meinen überwältigten Sinnen Töne gar Worte zu geben;

versuche eine Melodie zu summen, an deren Klang ist alles zu hören, was ich nie vermochte;

zu sagen, geschweige zu schreiben, mögen alle meine Spuren später für sich selber sprechen;

wenn übrig geblieben, wie unsichtbare Lüfte in Ästen, längst vergangene Worte und Verse;

neblige Netze aus Worten, die versuchten auszudrücken, was ich dachte zu fühlen;

bevor mich das Leben übermannte, dem reißenden Strom entriss und mich ans Ufer setzte;

mögen verblichene Schatten erzählen wer ich war, wenn ich hätte gefunden passende Worte;

niedergeschrieben, nachdem aus dem tosenden Leib gerissen und mir die Haare raufte;

damit Morpheus erneut Rätsel schickte, die ich zu entziffern, zu erinnern wagte udn hochschoss;

um neu unterzugehen im Rausch der Worte und Bedeutungen, dem eigenen Turm zu Babel;

blieb all das doch nur ein Versuch, möge er lange dauern, der Ritt auf dem tosenden Strom;

bis das schöngeschnäbelte Schiff am letzten Morgen mit Rosenfingern mich weckt;

um heimzukehren, nach langer Reise, um zu verschnaufen, bis die Nächste beginnt…

………

 

Tief Verborgenes – Odyssee 2020 CW38

20.September – vor wenigen Tagen hatte man D gebeten einen Vortrag über Ästhetik und den Einfluss auf die menschliche Kommunikation zu halten, weswegen er sich mit dem Goldenen Schnitt, Fibunacci und Baumblättern beschäftigte und warum es dem Menschen unmöglich ist, bestimmte Merkmale und Verhältnisse zu ignorieren.

Seine Versenktheit hatte viele positive Nebeneffekte, wie damals, als er in Kindertagen stundenlang mit Lego spielte, während Capricio Italiano von Peter Tschaikowski lief, sein Lieblingsstück zu jener Zeit. In seinem Gedächtnispalast gab es verborgene Räume, in denen zur gleichen Zeit, während er spielte, eine Art Spiegelereignis stattfand und etwas Neues entstand. So auch dieses Mal.

Während D munter zwischen einem Sammelsurium von Radien, Kreisen und deren Verhältnisse herumforschte, bildete sich in einer dieser tief verborgenen Kammern erster Buchstaben-Nebel, der langsam aber sicher erste Worte formte, aus denen sich erste Sätze bildeten, die unaufhaltsam neue Rhythmen, Strophen und Bedeutungen erschufen, die D zwischendurch, wie ein überraschter Gärtner bewunderte, weil er ihrer Ordnung und Bedeutung vertraute, als würden sie direkt vom unendlichen Kosmos kommen.

Und so geschah es, dass D am Nachmittag eine kleine Frucht vom Poesie-Baum pflücken konnte.

„Tief Verborgenes,

unverdächtig, die Rituale kleiner Kinder, frühe Früchte innerlich kapselnd, sorgfältig hortend, unbewusst für später beiseitelegend;

wie bunte Bälle fuhrwerkten sie im wachsenden Körper herum, manches Mal auftauchend zum Fragen, Freuen und Luftholen, unbemerkt, noch seltener verstanden;

Jahre später, bloße Blicke, Berührungen, gar Worte, um Ungesagtes, lang Erhofftes, auch schmerzlich Verborgenes zu Tage treten zu lassen, lange heimlich bewacht;

bereit für den Moment, den kosmischen Schlüssel findend, der alle Schächte öffnet, die wir lange geheim-gehalten und niemandem erzählt;

vermeintlich roh behauene Worte, vorschnell für schlicht gehaltene Gemälde, oder einfache Körperdrehungen, Berührungen, kaum spürbar an der Schulter, oder gekreuzte Blicke;

war es möglich, dass Menschen verstanden, wenn wir aufhören zu suchen, damit uns der magische Moment findet und uns wahrhaftig erscheint;

Magisches auslösend, Orchester der Sinnlichkeit, es schien möglich, das Wünsche, Träume und Hoffnungen wahr wurden, die früh verschickt wir hatten;

Weises Universum, hast alles eingerichtet, das den magischen Schlüssel, beim Wandeln durch die Tage, ohne Vorwarnung, wir irgendwann finden;

wenn wir erkennen, dass nie verloren wir waren, dann hat unweigerlich alles Sinn und jede Bedeutung folgt einer höheren Ordnung;

dann ist alles Sein in einem einzigen Moment verdichtet und jener Augenblick ein ganzes Leben wert, auf dass er uns leuchten lässt;

kosmisches Licht, mögest du Wärme, Liebe geben und Licht spenden, eingesponnen ins galaktische Netz;

überwältigt wie Empedokles, vom großen Ganzen, dem Sternentor, den nächsten Vulkan aufsuchend;

oder wieder tief verbergen, bis der Mut irgendwann groß genug, den Schlüssel weiterzugeben

Sprache, Musik, Formen, Berührungen und Geschmäcker,

Sinne – Vehikel und Pforten zugleich!“

 

Odyssee 2019 – CW41

Broterwerb am Montag – ein unschönes Wort; sein Brot er-werben, was implizit heißt, dass man es tun muss, weil es sonst nichts zu essen gibt; wir verbringen viel Zeit damit – Erschaffung von Schuld & Sühne, welch geniale Idee, Macht durch Wissen auszuüben und das schon so lange. Heute ist Kapital die neue Kirche. Instrument der Macht? Wissen; alte Bekannte im edlen Gewand elitärer Akademien – alte Platte, mögest du ewig weiternudeln, so wie früher!

Dienstag – stülpte ich mein Innerstes nach außen, ohne zu verkleben. Um sieben aufstehen, 30min laufen, ohne Pause – dann ausmümmeln, duschen und Frühstücken, hintereinander, nicht gleichzeitig; dann Broterwerb in Büro-Kaserne; erwäge im nächsten Jahr meine Arbeitszeit zu verkürzen; schönes Wort, Arbeits-Zeit-Verkürzung – wun-wun-wunnaba. Mittag mit „Me-myself-and-Ei“ – mag das zu dritt in der Kantine zu sitzen. Dreibeine sind auch statisch gesehen das Ideal; da kippelt rein gar nichts. Nachmittags, früher Abend schreiben; dann ging die Sonne unter; ich haste in den Supermarkt, Gemüse, Lachs, Brot und Kleinkram; draußen erste Zeichen vom güldenen Eichenlaub – Mitternacht dann heia-bubo.

Mittwoch – Letzter Tag vor Moped-Wanderung; vormittags Mahlzahn mit Brille und Laptop; Nachrichten und Termine mit dem Rechen gehakt, gewendet, getrocknet und zu Heu verarbeitet; ich mag Gras; Lunch mit einem Freund an der Garonne; Wein zum Mittag in der Woche zeigt, dass du alles richtig gemacht hast; kannst du nur keinem sagen; ihr habt Verständnis, ich kenne euch, zumindest tief verborgen, wo es muffig und feucht ist. Abends ein paar Sachen gepackt, dann Lachs mit Toast – guten Abend!

Donnerstag – Wecker um 5:00 Uhr! Heute bring ich meine CBR600, die ich liebevoll Wanze nenne, zurück zur Quelle, droben im Norden, zu Loka; komme pünktlich um sieben am Flughafen an; dort steht sie seit fünf Monaten; lasse den Starter nudeln, nichts; nur ein wenig hüsteln; weiternudeln, schnell macht die Bakterie die Grätsche; dann anschieben, bis die Knie zittern; ein paar Biker helfen, bis unsere Beine weich wie Pudding sind; bald stellt sich heraus, dass die alte Dame in den 5 Monaten 5 Liter Sprit durch die Unterhose hat laufen lassen.

Also los, Kanister gekauft, Sprit rein, geschwind zurückgefahren; hinein mit dem Humpen, frisch löungsgeglüht genudelt und kawumm – bravó-bravó! Und losfahren – merkwürdig, wie schwer die sich lenken und fahren lässt; völlig normal bei 2 Plattfüßen; abenteuerlich, wie ich die erste Autobahnraststätte anlaufe – endlich Luft in die Rueda’s und weiter; im eleganten 200KM-Takt getankt, gepinkelt und weitergefahren; zum Glück regnet es, da trocknet die Erde nicht aus; schön all die Gischt auf dem Visier; gut dass ich Samstag noch Regenkalmotten gekoft hab.

Frankreisch ist schön – Brücken, Berge, Bäume fahren wie ein Quentin Tarantula Streifen vorbei; Reisetempo 120-140, besser iss das; Brive-de-la-Gaillarde crossing; Clemong-Ferrong taucht auf Schildern auf; Hamburg sucht man vergeblich, dafür reichlich Paris; geographisch geht es jetzt radikal rechts-ab, Richtung Cle-Fe; einsam reite ich grüne Berge rauf und schroffe Täler nunter; nimmer-endendes Asphaltband, hin und wieder unterbrochen von Mautstationen; wieder anfahren alle Gänge durchschalten, Affen hinter Cockpitscheibe machen, Beine einrollen und weiter-rauschen; nach Clement geht es durch Vichy, Quellwasserfreaks aufgepasst; dann weiter Richtung Chalon-sur-Sàone; Schafe, Weiden, sympatisch-verlodderde Häuser, Traktoren, klapprige Auto’s; Gemütlichkeit.

Zwischendurch tanken, dann weiter Richtung Nancy und Metz; tanken, pinkeln, weiterfahren; es läuft ganz gut so ohne Pause; dann Luxemburg; endlich Pause beim goldenen M; die Bedienung nimmt keine Bestellungen mehr auf, das machen jetzt Service-Stationen, wo ich mein Kram eintippen darf; nach 15min gebe ich auf; ein junger Franzose zeigt mir die Prozess-Schritte, die ich bis eben gerade nicht hätte wissen wollen; ich bekomme einen Zettel, mit meiner Bestellung drauf, den es nicht geben würde, wenn ich sie wie immer akustisch geteilt hätte; was für ein Schwachsinn; Müll produzieren, um die Effizienz auf Kosten der Kunden zu erhöhen; good-bye Mc-Donalds, wie hast du mir noch nie gefehlt! Natürlich ist nicht alles auf meinem Tablett, als meine Nummer auf dem Bildschirm erscheint – ähnlich wie bei Arbeits.- oder KFZ-Zulassungsstelle – ich suche die Kamera vergeblich; schöne neue Realität.

Auf Klo soll ich einen weiteren Automaten mit 70cent füttern; Geld verdienen mit meiner Notdurft, wahnsinn! Wutentbrandt krabble ich unter dem Drehtor durch, beobachtet von einer entsetzten Klofrau; bevor sie die Polizei ruft, hauche ich ihr schneidend-leise zu: „Ich werde nicht in die Hose pinkeln, weil ich vorher meinen Schein kleinmachen muss, iss klar, oder?“ – sie lässt mich gewähren; ich kann es nicht fassen, springe auf meine alte Dame und fahre weiter Richtung Trier; die Dämmerung drückt das Licht zu Boden; bald gleiten wir über A1, dann A48; Ulm geht es ab Richtung Nürburgring, alte Heimat; 10 Jahre Kreisfahren, mit und ohne Kontakt; Etappenziel erreicht, Pension-Müller Herschbroich, Franziskaner-Weizen und Zigarette zum Abschluss; erste Etappe geschafft, gute Nacht.

Freitag – 8:00 Uhr aufstehen, 8:45 „In-der-Dell“, 9:00 Uhr Frühstück bei Rewe in Breidscheid. Um 10:00 Uhr Abfahrt in den Norden; rolle zufrieden an der Ahr entlang; alles heil geblieben die letzten 47 Jahre, mehr oder weniger; zu viele Tränen und Kollateralschäden; manchmal merkt man nicht, dass man die Axt im Wald ist; A61, dann A1; Frankreich war leer, Deutschland ist voll; ich fege durch den Pott, zum Mittag Kamener-Kreuz, dann auf die A2, fluchs durch die Porta Wesfalica, Bückeburg, mit Berg und brauner Vergangenheit; tanken, pinkeln, weiterfahren, nichts hat sich verändert; meinen Knochen geht es wunderbar.

Rasthof Allertal Pause, mit Burger-Krieg, ähem, King; Menschen bedienen mich und das Essen ist besser, ein Glück! Jedoch auch hier 70cent für die Notdurft; ich ziehe das Drehtor ein wenig in meine Richtung; siehst du, da pass ich locker durch, blockiere es bis es brummt und schlüpfe unbeobachtet hindurch; mit meiner Notdurft wird nicht abkassiert – ist ethisch und moralisch verwerflich; gegen Nachmittag endlich Ankunft in Wilstedt-Siedlung bei alten Freunden; hier wird die alte Dame Rente einreichen – feiern, trinken, essen, lachen und schluchzen, alles gleichzeitig, wunderbar; gegen Elch dann Taxi nach Siek – Waidmannsheil!

Samstag – Frühstück, einkaufen, Buchpakete nach Griechenland aufgeben, neue Bücher im Laden abholen; mein Hirn braucht Futter; dann Physiotherapeut zuhause; ächzen und stöhnen; dann schreiben, schreiben schreiben; abends dann Freund mit Rotwein für die Seelen, reden für‘s Leben; es geht um Trennung und Neuanfang, Life is a bitch! Gegen eins ins Bett, gute Macht!

Sonntag – Kaffee, frühstück, Musik, schreiben, schreiben, schreiben – dann Kumpel-Besuch, mit Ente, Wein und Bier, aber nicht zu viel – Zeilen fertig-tippen, korrigieren, hochladen und ab-dafür.